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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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meinen Augen nicht, als sie mir das Pflaster abnahmen und den Spiegel hinhielten. Wo war ich geblieben, Anna? Doch Klaus kannte kein Ende. Er hob die Wangenknochen an, machte sie slawischer, wie er es nannte, die leichten Schwellungen unter den Augen baute er ab. Es war anstrengend, für ihn wie auch für mich, aber immer, wenn die Eispacks ihren Dienst getan hatten und die Mullbinden entfernt wurden, kam er mit dem Spiegel und fragte stolz: ›Na, was sagst du jetzt?‹«
    Ich sah in Annas Gesicht, jetzt verstand ich, was mich am Anfang irritiert hatte. Tatsächlich waren es die neue Nase und die andere Lippenform gewesen, die sie so anders wirken ließen.
    »Könnte ich wohl noch eine Tasse Kaffee bekommen, liebe Britta?«, fragte Anna. »Und guck nicht so, als ob du in die Hölle blickst. Es war nichts weiter als eine normale Schönheitsoperation, etwas, das Klaus Tag für Tag machte, natürlich nicht alles zusammen an einer Frau.«
    Ich goss Kaffee ein, und sie nahm eine Zigarette aus ihrem goldenen Etui.
    »Darf ich?«, fragte sie, und ich nickte.
    »Weißt du, ich habe ja nie geraucht, aber dann meinte Klaus, es gehöre zu dem Typ Frau, den er plante. In diesem Moment habe ich zum ersten Mal Zweifel bekommen an unserem Projekt. Ich fragte ihn, ob er sich nicht zu viel zumute, ob wir es vielleicht doch bei dem lassen könnten, was er bisher schon gemacht hatte, aber Klaus lachte nur. ›Ich bin wie der liebe Gott‹, sagte er, ›ich kann Menschen verändern, so verändern, dass sie von keinem mehr erkannt werden. Vertrau mir, du wirst schon sehen.‹«
    Anna nahm einen Schluck Kaffee und zog an ihrer Zigarette. Ich stand auf, holte einen Aschenbecher und stellte ihn auf den Tisch, aber als ich mich wieder setzte, verschränkte ich die Arme vor meiner Brust, vielleicht um die Erkenntnis abzuwehren, die langsam in mir aufkeimte.
    Nach einer Weile erzählte Anna weiter. »Ich wurde tatsächlich immer schöner, aber auf eine Weise, die mich von mir selbst entfernte. Wenn ich mit Klaus darüber sprach, beruhigte er mich. Das wäre doch beabsichtigt, hat er gesagt, begleitet von diesem wunderbaren Lachen, das mich tröstete und beruhigte.
    Und dann ging es plötzlich um mehr als darum, meine Schönheit zu renovieren. Jetzt ging es um Wahrheit und Lüge, und die Lüge siegte. Wir erfanden eine neue Biografie. ›Warum?‹, fragte ich ihn. ›Das ist ja gerade der Spaß‹, erklärte Klaus, ›du bist eine völlig neue Frau in meinem Leben, und die kommt bestimmt nicht aus Köln, wo jeder alles nachprüfen kann. Nein, dich habe ich neu erschaffen und damit auch deine Biografie: Geboren in Warschau, im Alter von zehn Jahren mit den Eltern nach Berlin gekommen, Deutsch gelernt, Abitur gemacht und schließlich ein bisschen Kunstgeschichte, ein bisschen Philosophie studiert, aber nichts abgeschlossen, Streit mit den Eltern, die wieder zurückkehrten nach Warschau, und dann, eines Tages, laufe ich dir über den Weg. In einer kleinen Bar, wo du neben dem Studium jobbst.‹
    Ich versuchte, mich mit mir selbst anzufreunden, mit dem neuen Mund, mit den hohen Backenknochen, der edlen Nase, mit dem hochgepushten Busen und dem schlanken Bauch.
    Im Allgemeinen kam Klaus alle zwei Wochen nach Bayern herunter, immer wenn freitags kein Doppelkopf gespielt wurde. Dann hörte er mich ab. Geboren, ausgewandert, Name der Eltern, Beruf des Vaters, Schulen, Lehrer, Studiengänge, Professoren, Wohngegend. Manchmal geriet ich ins Schleudern, wusste nicht mehr, bei welchem Professor ich was studiert hatte. Es machte mich müde, das Lernen und auch die Prüfungen. Ich fragte mich, wie er auf all das kam, wann er die Zeit gefunden hatte, sich diese Einzelheiten nicht nur auszudenken, sondern sie zu recherchieren, die erste Schule in Warschau, die Wohnung in Berlin, die Namen der Professoren. Ich war verwirrt und oft froh, wenn er abreiste. Abends saß ich am Fenster und fragte die Berge nach meinem Namen.
    Zwei Monate später war Klaus sicher, dass sich der neue Lebenslauf in mir festgesaugt hatte, aber es war noch immer nicht genug. Jetzt ging es um die Stimme, die wäre viel zu hoch und zu fröhlich, tiefer müsste sie sein und melancholischer, verrauchter, deshalb die Zigaretten. Ich musste Texte lesen, und er rief: ›Tiefer, trauriger, mit rollendem R!‹ Manchmal schmiss ich das Buch gegen die Wand, schrie ihn an: ›Klaus, ich will nicht mehr. Ich bin Anna, deine Ehefrau. Ich will das alles nicht mehr. Du hast dir diese Riesengaudi

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