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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Tages wusste ich, er war am Ende. Seine Hände gehorchten ihm immer weniger, vielleicht war es Parkinson, ich weiß es bis heute nicht. Ich fragte ihn nicht, und er sprach nicht darüber.
    Zum Schluss saßen wir einfach nur beisammen, ich noch immer mit dem Tuch um den Kopf, er mit unruhigem Blick und zittrigen Fingern. Wir waren wieder ein Paar oder vielleicht zum ersten Mal ein wirkliches Liebespaar. Wir sprachen über alles, was geschehen war, wir lachten gemeinsam, und manchmal streichelte er über mein Gesicht. Das tat mir gut und ihm vielleicht auch. Wir hatten unseren Frieden gemacht, mit uns und jeder von uns auch mit sich selbst. Eines Abends hat er mich angesehen und gesagt: ›Ich kann nicht mehr.‹ Dann hat er geweint. Als ich ihn in meine Arme nahm, flüsterte er: ›Ich kann nicht mehr operieren, es geht nicht mehr, die Hände, die Finger, es ist vorbei …‹ Ich habe sein Gesicht gestreichelt und ihn gewiegt wie ein Kind und immer wieder gemurmelt: ›Alles wird gut, glaube mir, alles wird gut.‹ Da hat er mir von der Operation erzählt und dass er einen Fehler gemacht hatte. Ein Eingriff war gründlich misslungen, weil seine Hände ihm nicht mehr gehorchten. Die Patientin hat ihn verklagt, ihn, Klaus Bender, den Unbesiegbaren, den Meister der Schönheit.
    Das war es, was ihn umgebracht hat, die Erkenntnis, nicht mehr der sein zu können, der er sein wollte. Ohne Erfolg hätte er nicht leben können. Weißt du, dann ist es besser, man geht. Jedenfalls hat er jetzt seine Ruhe, seinen Frieden. Keiner kann ihn mehr belangen.«
    Inzwischen war es dämmrig geworden. Ich sah auf die Uhr. Es war schon später Nachmittag.
    »Ja, so war das«, sagte Anna langsam. »Jetzt habe ich dir doch alles erzählt.«
    »Sehen wir uns wieder?«, fragte ich vorsichtig.
    »Vielleicht komme ich noch mal vor Silvester bei dir vorbei, oder sonst im neuen Jahr«, meinte Anna.
    »Ich würde mich freuen«, antwortete ich und umarmte sie. »Also, bis bald.«
    Als ich nach Hause kam, saßen Carolin und Martin schon beim Abendbrot. Ich erzählte von der kalten Luft am Rhein, und Martin fragte erstaunt, wie lange ich da gewesen wäre, ob ich einen Freund hätte, mit dem ich traute Stunden am Fluss verbrächte. Ich lachte und legte meinen Arm um ihn.
    »Du weißt doch, wie treu ich dir bin«, sagte ich leise und streichelte seinen Kopf.
    Am nächsten Tag rief ich Anna an. »Wann kommst du?«, fragte ich, und sie lachte.
    »Morgen«, sagte sie, »morgen Vormittag komme ich. Ganz bestimmt!«
    Ich kochte Kaffee, und sie wollte Tee. Keine Plätzchen, lieber ein Käsebrot und ein bisschen Musik.
    Dann saß sie im Sessel, hatte die Beine übereinandergeschlagen, die Teetasse in der rechten Hand und lächelte, wie man lächelt, wenn man zum Tee eingeladen wird in die eleganten Häuser unserer Stadt, wo immer alles zu stimmen scheint.
    »Es gibt nicht mehr viel zu sagen«, begann sie, »womöglich habe ich schon zu viel erzählt, wer weiß, ob du alles für dich behalten kannst, ob du nicht doch eines Tages das eine oder andere ausplauderst.«
    Würde ich schweigen können, schweigen dürfen? War es nicht meine Pflicht, der Polizei von Katharina zu berichten, von Katharina, die Anna war, und hieß das nicht auch, dass Anna die Täterin sein konnte? Anna, die gedacht hatte, sie würde Klaus eines Tages heimzahlen, was er ihr angetan hatte?
    »Okay«, sagte ich, »ich danke dir für das mir erwiesene Vertrauen und würde mich freuen, wenn du die Geschichte zu Ende bringen würdest.«
    »Jetzt klingst du wie eine Journalistin, die wild darauf ist, die Titelstory zu erhaschen. Aber du bist ja keine Schreiberin und wirst wohl auch keine mehr werden, jetzt noch …«
    Es klang, als hätte sie auf der Zunge gehabt: »in deinem Alter«, aber sie sagte das nicht und auch sonst nichts, sie schwieg, so sehr ich auch wartete, es kam nichts mehr hinterher.
    Sie stand auf und lächelte, sagte: »Danke für den Tee und das Brot, wir sehen uns im nächsten Jahr, dann hoffe ich, geht es mir wieder richtig gut«, ging zur Tür hinaus, fuhr einfach weg und ließ mich allein mit all dem Gesagten und Ungesagten, dem, was ich noch hatte fragen wollen und doch nie mehr würde fragen können, weil es vorbei war mit dem Reden. Das spürte ich, nie mehr würde sie ihre Seele erneut öffnen. Was gesagt war, war gesagt, und danach kam nichts mehr, nichts von dem Wagen und seinen Bremsen, nichts davon, wer die Bremsen bearbeitet hatte, wer Klaus hatte töten

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