Kreuzfeuer
Herausgeforderten hatten Sten und Alex nicht nur die Wahl der Zeit und des Ortes, sondern auch die Wahl der Waffen.
Alex wählte natürlich sein Breitschwert, und Parral war hocherfreut darüber, dass er Froelich mit einem Säbel mit Korbgriff aushelfen konnte, der der Waffe aus Edinburgh kaum nachstand.
Sten hatte zunächst an sein unschlagbares Messer gedacht, den Gedanken jedoch rasch wieder verworfen. Schließlich musste er hier nicht nur den Soldaten, sondern zumindest bis zu einem gewissen Punkt auch den Diplomaten spielen – und er konnte sich nicht vorstellen, dass Parral sehr begeistert davon wäre, wenn einer seiner höfischen Helden zwei Sekunden nach dem Anpfiff getötet wurde.
Also entschied er sich für Damaszenerdolche – lange, zweischneidige Dolche mit nadeldünner Spitze und fast 40 Zentimeter Länge. Parral wählte liebevoll ein Paar aus seiner gutsortierten Sammlung aus.
Sten bog die Waffe prüfend durch. Natürlich Handarbeit, sehr sorgfältig aus mehreren Schichten Stahl im klassischen damaszenischen Stil geschmiedet. Um das Gewicht der Klinge auszubalancieren, hatte der Hersteller sich für einen relativ schweren Knauf entschieden. Die Waffe würde es jedenfalls tun.
Alex wandte sich kurz an Sten: »Wie lange, mein guter Sten, soll ich mit diesem Kastraten herumspielen, damit er noch einigermaßen nett aussieht?«
»Ein oder zwei Minuten solltest du ihm schon geben.«
Alex nickte zustimmend und begab sich in die Mitte der Arena. Froelich stand ihm gegenüber und überprüfte die Eigenschaft der Waffe, indem er die Klinge auf ihre Spannung testete. Dabei gab er sich große Mühe, besonders eiskalt, elegant und gutgelaunt zu wirken.
Alex stand einfach da und hielt sein Schwert in der achten Position. Dann stürmte Froelich mit hocherhobener Klinge los und zielte auf Alex’ Oberkörper. Alex wehrte den Hieb mit noch immer nach unten gerichteter Spitze lässig ab. Die Klingen trafen aufeinander.
»Ah«, murmelte Alex. »Du kämpfst wie ein richtiger Mann. Ohne viel Geschrei und ohne dich groß anzumelden.«
Doch Sten konnte an den Gesichtern der Nebtaner ablesen, dass Froelich damit bereits die Etikette durchbrochen hatte.
Wahrscheinlich gab es irgendeine Art von offizieller Herausforderung, die Möglichkeit, diese Herausforderung zurückzuweisen und dergleichen langweiliger Prozeduren mehr. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Alles, was Froelich dadurch erreichte, war die Verkürzung der Zeitspanne, die ihn noch von seinem zukünftigen Dasein als Wurmfutter trennte.
Froelich ging wieder auf Position en garde . Alex erwartete ihn geduldig. Die nächste Attacke war eine wütende Folge von Schlägen aus der ersten und dritten Position. Jedenfalls sollte es wohl etwas in der Art sein. Alex verhakte seinen Korbgriff mit dem von Froelichs Waffe in einem prise de fer , zwang die Schwerthand seines Gegners nach oben und stieß ihn dann von sich.
Froelich taumelte nach hinten, stolperte, fiel hin und rollte sich erstaunlich flink ab; kam wieder auf die Beine und stellte sich erneut en garde . Schwer atmend kam er mit langsamen Schritten wieder heran.
Jetzt ging Alex zum Angriff über, durchbrach den Abwehrstoß Froelichs mit einem kräftigen Hieb und ließ die breite Klinge aufblitzen. Der winzige Schnitt rasierte einen Großteil von Froelichs Ohr ab. Froelich setzte zum Gegenstoß an und schlug beidhändig gegen Alex’ Unterleib.
Alex hatte einen Satz von drei Metern nach hinten gemacht und wartete wieder auf Froelichs Ansturm. Als sein Gegner blutüberstömt und heulend vor Wut auf ihn zugestürmt kam, warf Alex Sten einen raschen Blick zu. ›Jetzt?‹ Warum nicht? Sten nickte, und Alex’ Schwert schlug wie eine Schlange zu, schleuderte Froelichs Klinge beiseite, und dann brachte Alex den Griff des Breitschwerts fast bis in seinen Nacken zurück und schlug mit voller Wucht zu.
Froelichs Kopf beschrieb einen blutspritzenden Bogen und landete in der Bowlenschüssel. Der Rumpf tappte noch ein paar Schritte weiter und brach dann zusammen. Alex schob sein Schwert in die Scheide und verließ in tödlichem Schweigen die Kampfstätte.
»Vielleicht bist du ja wirklich ein Lord Kilgour«, flüsterte Sten.
»Genau«, pflichtete ihm Alex bei. »Könnte gut sein.«
Parral, der ein wenig mitgenommen aussah, kam auf die beiden Soldaten zu. »Das war eine sehr, äh, eindrucksvolle Darbietung, Sergeant.«
Alex bedankte sich mit einem huldvollen Nicken.
»Colonel? Seigneur Trumbo?
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