Kreuzstein
Richtung Steinbruch in Bewegung.
»Was meinen Sie, Herr Kommissar, wann wir unseren Betrieb wieder normal aufnehmen können?«, rief der Eigentümer hinter Mannheimer her.
»Wir werden Sie informieren!«
Allenstein war Kronberg, Weller und Mannheimer bis zu einem großen Radlader gefolgt. Zwei schwere Ketten waren an der Schaufel befestigt und spannten sich gerade, als er neben die Kommissarin trat. Der Laderführer versuchte, einen tonnenschweren Gesteinsblock von seinem verschütteten Kollegen abzuheben. Ein Stiefel schaute auf der einen Seite heraus. Plötzlich wurde die Tür der Fahrerkanzel aufgerissen, der Arbeiter sprang nach draußen und übergab sich.
Ein Mann von der Spurensicherung schaute Mannheimer an. Dann ging er zum Einsatzleiter der Feuerwehr, die das Gebiet abgesperrt hatte. Nach kurzer Diskussion ging der Feuerwehrmann zu einem älteren Kollegen und redete mit ihm. Anscheinend war er bereit, das Gerät zu bedienen.
Als der Block frei in der Luft schwebte, setzte der Lader einige Meter zurück. Die Kommissarin begann plötzlich leicht zu zittern. Unvermittelt drehte sie sich zu Allenstein um und ergriff seinen Arm.
»Verstehen Sie das bitte nicht falsch, aber können Sie mich einen Moment lang festhalten?«
Er schaute auf die zerquetschte Leiche des Arbeiters, aber der Anblick drang nicht wirklich zu ihm durch. Verwundert fragte er sich, was wohl von ihm erwartet wurde.
Als die Kommissarin sich von ihm löste, wich sie seinem Blick aus. Aber es war nur ein kurzer Augenblick, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
»Wir sollten dort hochgehen«, schlug sie vor und schaute sich nach der besten Aufstiegsmöglichkeit um.
Zu viert suchten sie den oberen Rand des Steinbruchs ab.
»Der oder die Täter müssen den Bruch schon länger beobachtet haben«, erklärte Mannheimer im Brustton der Überzeugung. »Es gab nur ein sehr begrenztes Zeitfenster.«
»Und es muss mindestens ein absoluter Spezialist für Sprengungen dabei gewesen sein. So etwas lernt man nicht in einem Volkshochschulkurs«, ergänzte Kronberg.
»Es gibt aber entsprechende Kurse, in denen man den Umgang mit Sprengstoffen lernt. Sonst gäbe es keine Sprengmeister«, erwiderte Allenstein.
Kronberg wies Weller an, nach seiner Rückkehr nach Köln eine Liste sämtlicher Institutionen zusammenzustellen, in denen derartige Kenntnisse vermittelt werden. Vielleicht ergab das einen ersten Hinweis.
»Übrigens, wenn ich hätte erfahren wollen, wann hier wieder gesprengt wird, hätte ich mich als Mineraliensammler ausgegeben«, überlegte Allenstein. »Mit einem Kasten Bier wäre ich schnell an die notwendigen Informationen gekommen.«
»Dann müsste vielleicht jemand von den Arbeitern eine Telefonnummer dieser Person haben«, überlegte Mannheimer. »Das werde ich gleich überprüfen lassen.«
Der Steinbruch bekam etwas Surreales, als sich am Nachmittag eine tiefblaue Wolkenwand von Norden über der Norddeutschen Tiefebene aufbaute. Es roch nach Schnee. Die weiß gekleideten Spurensicherer liefen auf der obersten Sohle des Steinbruchs entlang und versuchten hastig, so viele Spuren wie möglich festzuhalten. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Die Kommissare und Allenstein verteilten sich in einem größeren Bogen über die Fläche und versuchten, das Geschehen nachzuvollziehen. Henno hatte den intimen Augenblick unten im Steinbruch noch nicht verdaut. Immer wieder schaute er zu Gabriele Kronberg, und einmal sah er, wie sie sich gerade wieder aufrichtete, etwas in ein Papiertaschentuch wickelte und in die Tasche steckte.
Kurze Zeit später sammelten sie sich vor dem halb verschütteten Lader.
»Haben Sie etwas Auffälliges entdeckt?«, fragte Mannheimer.
»Ich sehe nur Steine und Dreck«, antwortete Kronberg resigniert. »Geht mir genauso«, erwiderte Mannheimer. Weller nickte.
»Eine Sache kommt mir komisch vor.« Allenstein musterte erneut die gesprengte Masse vor ihnen. »Der Block, unter dem der Arbeiter lag, ist viel größer und kompakter als das übrige abgesprengte Gestein.«
»Und was sagt uns das?«, fragte Mannheimer.
»Durch die Energie der Sprengladung wird das Gestein bis auf eine bestimmte Maximalgröße zerkleinert. Mit der Menge des eingesetzten Sprengstoffes kann man Pi mal Daumen vorentscheiden, wie grob das Material werden soll. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn man einen Brecher hat, bei dem nur eine bestimmte Größe durch das Gitter passt. Sind die Brocken zu groß, müssen sie aufwendig
Weitere Kostenlose Bücher