Kreuzstich Bienenstich Herzstich
aufklären.
»Ich weiß schon, was ich nehme«, sagte MaC. »Sie müssen wissen, ich komme in meiner Mittagspause öfter hierher.«
Seifferheld ärgerte sich, dass er ihr nichts geboten hatte, was sie noch nicht kannte. Etwas noch Exotischeres. Aber gab es in Hall überhaupt noch etwas Exotischeres?
Er setzte seine Lesebrille auf und studierte die Karte. Wie süß er mit Brille aussieht, dachte MaC – allerdings ohne mütterliche Gerührtheit. In ihr rührte sich eher etwas anderes.
»Was empfehlen Sie mir? Es darf gern etwas Mildes sein«, fragte Seifferheld, für den indische Gerichte böhmische Dörfer waren. Er wusste nur, dass es auf einem indischen Teller scharf werden konnte, und er wollte der Journalistin nicht den lustigen Lockenpony über den Augen wegbrennen, wenn drachengleich eine Stichflamme aus seinem Mund schoss.
»Nehmen Sie das Gemüsecurry mit Kokosnuss, Kariblättern und Tamarinde«, riet MaC.
Seifferheld hatte keine Ahnung, was Kariblätter und Tamarinde waren, dachte dabei an kolumbianische Cocablätter und ähnliche verbotene Pflanzenprodukte, aber er wusste dank seines Harems, wie man einer Frau ein gutes Gefühl vermittelte, indem man nämlich tat, was sie einem sagte.
Sie gaben ihre Bestellung bei der Zopfträgerin auf.
»Frau Cramlowski … MaC«, versuchte Seifferheld es erneut und kam gleich auf den Punkt, »ich glaube, dass es zwischen den verschwundenen Männern der letzten Monate, die später tot aufgefunden wurden, eine Verbindung gibt.«
MaC nickte. »Liegt ja auf der Hand«, sagte sie, als sei es wirklich eine Selbstverständlichkeit. »Und wer bei so vielen ›natürlichen‹ Todesfällen in Serie an Zufall glaubt, der braucht dringend einen Realitätscheck.«
Seifferheld hätte vor Freude aufjaulen mögen. Endlich jemand, der die Dinge so sah wie er. Ihm wurde warm. Musste am Bier liegen.
»Ich durfte im Blatt auf Anweisung von oben keinen Zusammenhang herstellen. Das wäre zu spekulativ, hieß es.« MaC tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab. Seifferheld bemerkte erst jetzt, dass ihre Flasche schon leer war. Er beeilte sich, aufzuholen.
»Wissen Sie, für eine Kleinstadtzeitung ist das
Haller Tagblatt
wirklich nicht schlecht, aber knallharten, investigativen Journalismus darf man nicht erwarten. Wenn’s hart auf hart kommt und sich der Landrat mit dem Oberbürgermeister zankt, verfasst der Chefredakteur einen zahnlosen Zehnzeiler als Kommentar, der dann blau hinterlegt abgedruckt wird und hitzige Leserbriefdebatten unter immer denselben Leuten entfacht, die dann mittwochs und samstags die Gemüter des Volkes erregen. Ansonsten berichten wir über Stadtorchesterjubiläen, Bürgerstiftungsprojekte oder die Auftritte des ersten Hofburschen der Sieder. Ausschließlich freundlich, allenfalls neutral wie die Schweiz.«
»Man hat Ihnen also verboten, über die Morde zuschreiben?« Seifferheld witterte eine Verschwörung. Die Polizeichefin und der Zeitungsverleger unter einer Decke.
Die Gäule gingen mit ihm durch. Man hörte es förmlich wiehern.
»Nicht doch.« MaC lachte. »Mir wurde nicht der Mund verboten. Es ist nur so, dass laut Gerichtsmedizin keine Morde vorliegen. Und da wurden eben andere Berichterstattungen als sinnvoller erachtet.«
»Ha«, sagte Seifferheld und beugte sich über die Tischplatte. »Sie wissen doch, dass die Polizeichefin und der leitende Gerichtsmediziner liiert sind, oder?«
Er klang wie ein iranischer Geheimagent, der dem Leiter der CIA die Nuklearwaffenpläne von Präsident Mahmud Ahmadineschad verriet.
MaC roch seinen frischen Atem. Das Bier hatte den Pfefferminzgeschmack noch nicht völlig überdeckt. Wie niedlich, er hatte was für sie eingeworfen. »Ja klar. War ja
das
Gesprächsthema in Hall, als sie Dr. Szerpansky wegen dieses Freilichtspielregisseurs Lasker Schudrow in den Wind schoss und dann ein Jahr später kleinmütig wieder angekrochen kam, weil sich Schudrow als durchgeknalltes Muttersöhnchen erwies. Hätte ich ihr gleich sagen können, aber mich fragt ja niemand. Aber Dr. Szerpansky weilt seit fast sechs Monaten auf Fortbildung-Schrägstrich-Praktikum in den USA und kommt erst zu Weihnachten wieder. Die beiden können also nicht unter einer Decke stecken. Also, zumindest diesbezüglich nicht. Sonst ja schon. Unter einer blutroten Satindecke.«
Jeden Samstag ermöglichte das
Haller Tagblatt
einen Blick in die Privatwohnung bekannter Ortsansässiger und sie selbst hatte im letzten Sommer den Artikel über
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