Kreuzstich Bienenstich Herzstich
dieWohnung des Gerichtsmediziners verfasst. Das Foto vom Schlafzimmer war dann vom Chefredakteur gestrichen worden – es war einfach nicht jugendfrei genug. Dabei hatte Fela Nneka, der Fotograf des
Haller Tagblatts
mit nigerianischem Migrationshintergrund, die Wand mit den Plüschhandschellen und dem Two-Strap-Rindslederharness noch nicht einmal fotografiert.
Aha, dachte Seifferheld, kein Wunder, dass die Chefin so ungnädig auf seine Polizeiberichte reagierte. Ihr fehlte die tägliche Dosis Zärtlichkeit.
»Nein, nein, es gibt kein Komplott«, fuhr MaC fort. »Es ist nur so, wenn ich in der Redaktionskonferenz mal ein heikles Thema vorschlage, werde ich abgebügelt. Nennen Sie es, wie Sie wollen – Fettnapfvermeidung, Schlammaufwühlkontrolle –, aber nicht Komplott.«
Seifferheld seufzte enttäuscht auf.
MaC winkte nach der Kellnerin. »Verstehen Sie mich nicht miss – ich arbeite gern hier. Ist immer noch interessanter als meine letzte Stelle bei einem pseudowissenschaftlichen Hochglanzmagazin, wo ich unnützes Wissen sammeln musste, das man nie vergessen kann, egal, wie sehr man es versucht. Beispielsweise, dass Sandtigerhaie sich schon im Mutterleib gegenseitig auffressen. Oder dass die absolut tödlichen südamerikanischen Pfeilgiftfrösche schon nach kurzer Zeit in deutschen Terrarien gar nicht mehr so giftig sind, weil sie nämlich das falsche Futter bekommen. Oder dass die Kleine Meerjungfrau … aber ich schweife ab.«
MaC bestellte bei der herbeigeeilten Kellnerin noch ein Bier. Dann sah sie Seifferheld an und holte tief Luft.
»Bei einem bin ich mir allerdings ganz sicher: In Hallist jemand unterwegs, der reihenweise Männer mittleren Alters umbringt.«
MaC strahlte Seifferheld fröhlich an.
»Wie alt sind
Sie
doch gleich noch mal?«
Aus dem Polizeibericht
SCHNURSTRACKS ZUM SCHNAPSREGAL
Eine 39-Jährige marschierte am Donnerstag in einem Delikatessenladen am Limpurger Platz schnurstracks zu den Alkoholika, packte vor den Augen von Kunden und Personal dreist drei Flaschen Wodka in ihren Rucksack und wollte den Laden ebenso schnurstracks wieder verlassen. Als eine Angestellte sie aufzuhalten versuchte, wurde die Täterin rabiat und versetzte der Frau eine schallende Ohrfeige. Die zwischenzeitlich informierten Streifenbeamten stellten die polizeibekannte Frau, deren vorhergehende Strafen zur Bewährung ausgesetzt waren, nur wenige Minuten später in Höhe des Schenkensee-Freibades. Nun wird sie wohl für längere Zeit hinter Gitter wandern. Nastrowje!
Chapeau, Herr Kommissar!
»Sie wissen schon, dass Sie eine Legende sind?«, fragte MaC über Gemüsecurry und Tandoori-Huhn.
»Legende?« Seifferheld tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab.
MaC nickte. »Über die Grenzen der Region hinaus.Seit Sie den Polizeibericht formulieren, bekommen wir fast zwanzig Prozent mehr Zuschriften von Lesern.«
»O weh.« Seifferheld seufzte. Er sah sich geteert und gefedert und vom Mob mit Heugabeln aus der Stadt gejagt.
»Nein, fast nur positiv«, erklärte MaC. »Vor allem Ihre Überschriften sind so erfrischend respektlos. Unser Chefredakteur hat letzte Woche beschlossen, den Polizeibericht auch auf unsere Internetseite zu stellen, und seitdem schnellen die Klicks in die Höhe. Man muss natürlich Abonnent sein, um alle lesen zu dürfen, aber als Appetithappen gibt es immer eine aktuelle Meldung umsonst.«
»Das wird die Polizeichefin nicht gern hören.« Seifferheld wollte seinen Kummer mit Bier ertränken, aber seine Flasche war leer. Er winkte der Kellnerin und bestellte für sich und auch noch für MaC zwei neue Flaschen.
»Wieso nicht? Die Leute lesen den Polizeibericht viel lieber, wenn er spritzig formuliert ist.«
»Der Polizeibericht muss aber seriös sein. Ich repräsentiere in diesem Moment die Exekutive.«
»Hauptsache, die Fakten stimmen. Dann kann ein wenig Flair nicht schaden. Nein, ganz ehrlich, meine Hochachtung vor Ihrem innovativen Berichterstattungsschub!« Sie prostete ihm mit ihrer Bierflasche zu.
Seifferheld hatte das dumpfe Gefühl, dass Polizeichefin Bauer das anders sah. Keine Ahnung, welcher Teufel ihn – vor allem bei den Schlussformulierungen – immer ritt. Die Konsequenzen konnten nicht mehr lange auf sich warten lassen. Frau Bauer ölte in diesem Moment wahrscheinlich schon die Guillotine. Er würde dieses letzte Band zu seinem früheren Beruf vermissen.
Aber jetzt hatte er andere Pläne. Er saß ja nicht zum Vergnügen gegenüber einer schönen
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