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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Dass dieser Drang mit drei Buchstaben aus dem Alphabet zu tun haben könnte, die für eine aufregende Frau standen, hätte er auf Nachfrage strikt geleugnet.
    Nichtsdestotrotz war es nicht von der Hand zu weisen: Bezüglich des Falles hatte er am gestrigen Abend beim Inder nichts entscheidend Neues erfahren, aber wenn er etwas gelernt hatte, dann dass seine Libido noch nicht im Ruhestand war. Die ganze Nacht hatte er sich schlaflos gewälzt und Unzüchtiges gedacht.
    Karina schnupperte immer noch, während Irmi mit dem Geschirrhandtuch in der Luft wedelte.
    »Das riecht nach Weihnachten«, befand Karina und lächelte ein seliges Kinderlächeln. »Man möchte in dich reinbeißen, Onkel Siggi. Gib’s zu, genau das ist die Wirkung, die du beabsichtigst, gell?«
    Seifferheld wurde tatsächlich rot.
    »Ein Mann sollte nach Wasser und Kernseife riechen. Eventuell noch mit einem Hauch von Tabak. Das ist meine Meinung«, verkündete Irmi, die niemand nach ihrer Meinung gefragt hatte und deren diesbezügliche Meinung aus dem vorvorigen Jahrhundert stammte.
    »Ich riech’s gern«, erklärte Karina, ging zum Kühlschrank und holte die Sojamilch heraus, die sie mit gierigen Schlucken aus der Tüte trank.
    Die Tür ging auf und Susanne trat ein.
    Sie blieb stehen.
    Schnupperte.
    Strahlte auf.
    »Ja, ist denn schon Weihnachten?«, fragte sie.
Welche Frau sucht einen Mann, der eine Frau sucht, die einen Mann sucht?
    »Diplom-Pädagogin, verwitwet, drei Söhne, sucht adäquaten Partner.«
    »Eine Lehrerin?« Seifferheld schüttelte den Kopf.
    Es war ein schöner Sonntagmittag. Das heißt, wettermäßig durchaus optimierbar, mit fast schon winterkaltem Nieselregen, aber in der seifferheldschen Küche schlug der Zeiger auf der Wohlfühlskala ganz nach oben aus.
    Onis schnarchte rhythmisch unter dem Küchentisch.
    Seifferheld lehnte mit dem Rücken am Neff-Herd und löffelte seine Sonntagsbrunchkürbissuppe. Innere und äußere Wärme, besser konnte es nicht werden.
    Irmgard und Karina waren fort – Irmi wohl in der Kirche, Karina weiß Gott wo.
    Dafür saß Susanne im Flauschpyjama am Küchentisch. Im sanften Licht der alten dänischen Küchenlampe sah seine Tochter besonders bezaubernd aus. Nicht wie die knallharte Managerin, die urbane Akademikerin, die arrivierte Powerfrau mit dem Selbstbewusstsein eines pickligen Backfisches, sobald es um Männer ging, und die je nach Stand ihres schwankenden Fortpflanzungs- und Ver ehelichungsbewusstseins mal garstig, mal sirenenhaft zu allen Testosteronträgern war, sondern wie der lockige Engel, der früher, wenn Seifferheld nach Dienstschlussheimkam, auf seinen Schoß kletterte und eine Geschichte vorgelesen bekommen wollte.
    Jetzt las sie selbst, und zwar die Heiratsanzeigen im
ZEIT-Magazin
. Natürlich nicht für sich, sondern für ihren Vater. Sie begründete das damit, dass sein neu erwachtes Interesse an Duftwässerchen ein klares Zeichen des Schicksals war: Für die Liebe ist es nie zu spät. Und da Seifferheld sie nicht davon in Kenntnis setzte, dass es vor Ort schon eine vielversprechende Kandidatin gab – deren Bindungsstatus er allerdings noch eruieren musste –, suchte Susanne dort, wo man mühelos fündig werden konnte: im Kleinanzeigenteil. Die
FAZ
und die
Süddeutsche
hatten sie schon durch, aber bis auf die Profi-Anzeigen von High-Class-Kupplerinnen wie Claudia Püschel-Knies (»seriös-diskret-erfolgreich«) und Christa Appelt (»Elitepartner«) war dort nichts Adäquates im Angebot. Eheanbahnung gegen Geld kam nicht in Frage. Und natürlich musste es etwas ehetauglich Dauerhaftes sein und nichts kurzfristig Lustiges fürs Bett. Fand Susanne.
    »Vater, keine Vorurteile. Eine pädagogische Universitätsbildung schließt zarte Herzensbildung nicht aus. Eine Frau mit Niveau.«
    »Die mir mit dem Rohrstock droht, wenn ich nicht brav bin?«
    »Schlimmer als mit Tante Irmgard kann es nicht werden«, meinte Susanne lapidar.
    »Seine Schwester kann man sich nicht aussuchen, seine Lebensgefährtin schon!« Seifferheld schöpfte aus dem Riesenfamilientopf Suppe nach. »Außerdem hat sie drei Jungs. Ich bin ja mit dir schon kaum fertig geworden. Nein, danke.«
    Susanne gab einen Hmpf-Laut von sich.
    Seifferheld musste an Susannes Mutter denken. Sie hatten eine gute Ehe geführt, wenn auch ohne Leidenschaft. Hin und wieder vermisste er Annemaries bodenständige Ratschläge, ihre unverbrüchlich gute Laune, ihren Zwiebelrostbraten. Aber sie war jetzt seit zehn Jahren tot. Vielleicht

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