Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Heimlichkeiten? Wieso war Stricken für Männer angesagt, Sticken aber nicht? In New York und Tokio saßen jedes Wochenende Dutzende heterosexueller Männer gemütlich zusammen, tranken Bier, aßen Hot Dogs oder Sushi und tauschten Stricktechniken aus.
Warum waren diese unsäglichen Stricklieseln, die nichts als Wollwürste produzierten, angesagt, Stickrahmen aber nicht? Warum galt es als mutig und zukunftsweisend, wenn Männer strickten, aber als unerotisch, wenn sie stickten?
Würde er sich jemals MaC offenbaren können? Man durfte heutzutage als Mann offen zugeben, auf SM zu stehen. Oder gelegentlich rosa Damenunterwäsche zu tragen. Oder bei Liebesfilmen zu weinen. Aber was passierte mit der Libido einer Frau, wenn sie erfuhr, dass ihr Partner gern zu Nadel und Faden griff?
Seifferheld sehnte sich sehr danach, dass seine Geschlechtsgenossen in absehbarer Zukunft das Sticken für sich entdeckten und es bald eine eigene Stick-Ecke mit Stich-Tipps in der
BILD
gab und eine halbstündige Servicesendung auf ARD oder ZDF – »Männersticken mit Wladimir Klitschko« – und dass womöglich gar Abgeordnete im Bundestag Kissen stickten.
Warum Männer keine Ahnung von Menstruationskrämpfen haben und Frauen nicht in Thermoskannen pinkeln können – und warum das auch gut so ist
Ü-40-Nacht in der Innenstadtdisco Barfüßer.
Manchmal kam es vor der Tür der Disco zu kleineren Turbulenzen. Streit zwischen denen, die nicht eingelassen wurden. Streit mit dem, der Einlass gewährte. Alkoholinduzierter, grundloser Streit. Aber an diesem Abend ging es gesittet zu. Der Türsteher könnte sich langweilen. Wenn da nicht dieser verdächtige dunkle BMW gewesen wäre, in dem zwei Gestalten mit Hund saßen. Die Balkanmafia? Dauernd starrten sie ihn an.
Er starrte zurück.
Seifferheld machte sich nichts daraus.
In jungen Jahren hatte er oft an Überwachungsaktionen teilgenommen. Meistens war das in eine öde, ereignislose Warterei ausgeartet, bei der man mit dem Kollegen Wetten abschloss, wer es am längsten ohne Pinkelpause aushalten konnte.
Seifferheld saß jetzt schon seit fast zwei Stunden auf seinem Posten. Aber Zeit war relativ und der BMW von Susanne war bequemer als sein alter Streifenwagen. Er hatte Susanne nicht gesagt, wozu er das Auto brauchte.
Und dass er den Hund mitnehmen würde.
Onis lag auf der Rückbank und langweilte sich tödlich. Wenn er sich langweilte, intensivierte sich sein Sabberfluss.
Seifferheld wünschte nicht zum ersten Mal, er hätte dem Hund eine Decke untergelegt. Susanne war Sauberkeitsfanatikerin. Es würde definitiv eine Szene geben.
Neben ihm auf dem Beifahrersitz saß Mimi, die Gummifreundin von Klaus.
Er hatte ihr einen Schal um den Hals gebunden, damit man ihren o-förmig geöffneten Mund nicht gleich sah. Und auf dem Kopf trug sie die Fellmütze im Russen-Stil von Klaus. Mimi war auf Wunsch von Seifferheld mit dabei. Es war unauffälliger, wenn zwei Menschen in einem Auto saßen, sich scheinbar unterhielten, auf etwas oder auf jemanden warteten. Aber wen hätten sie schon fragen können? Sicher keine der Pappnasen aus dem Kochkurs. Also hatten sie Mimi aufgeblasen.
Onis stieß einen tiefen Seufzer aus.
Seifferheld hatte den BMW halblegal vor die Treppe zum Marktplatz abgestellt. So hatte er den Eingang zum Barfüßer – wenn auch nicht direkt die Tür – gut im Blick und konnte gegebenenfalls sofort losfahren, sobald Klaus mit einer Verdächtigen auftauchte. Das war ja der Sinn der Sache: auf gar keinen Fall Klaus aus den Augen verlieren.
Sie hatten vereinbart, dass Klaus mit seinem weißen Herrenschal wedeln würde – ursprünglich wollte Klaus mit seiner bordeauxfarbenen Herrenhandtasche wedeln, aber deren Mitführung hatte Seifferheld ihm strikt untersagt –, sollte er sich mit der Verdächtigen darauf geeinigt haben, zu Fuß in seine Wohnung zu gehen. Andernfalls, falls also die Verdächtige ihn mit dem Auto zu sich nehmen wollte, wedelte er nicht. Schlicht, einfach, genial. Das konnte nicht einmal Klaus verbocken.
Da ging die hintere Wagentür auf und jemand quetschte sich neben Onis auf die Rückbank.
»Großer Gott!«, entfuhr es Seifferheld. Sein Herz schlug ihm abrupt bis zum Hals.
»Papa, was machst du hier?« Susanne musste wirklich sehr aufgewühlt sein, wenn sie nicht als Erstes über den Sabberhund auf der Rückbank ihrer geliebten Luxuslimousine schimpfte. »Ich hatte Menstruationskrämpfe und konnte nicht schlafen.«
»Das ist doch albern. Dann trink einen
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