Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Tablett.
»Klaus?«
»Darf ich dir Melanie vorstellen? Wir haben uns beim Kegelausflug angefreundet.« Klaus schob Seifferheld eine winzige Rothaarige in einem orangeroten Organzakleid entgegen und zwinkerte dabei, was das Zeug hielt.
Die Rothaarige sah ein bisschen so aus, wie man sich eine vertrocknete alte Studienrätin vorstellt, die zum ersten Mal in ihrem Leben Verschönerungsversuche an sich durchgeführt hatte: Kleid, Frisur und vor allem Makeup – von allem zu viel, alles zu bunt.
Klaus zwinkerte erneut.
»Ah«, sagte Seifferheld und nickte erst verstehend Klaus, dann begrüßend Melanie zu. »Leider habe ich gerade keine Hand frei.«
»Warte, ich helfe dir«, sagte Klaus, nahm einen Sekt-Orange vom Tablett und reichte ihn Melanie. »Hier, Kleines.« Dann schnappte er sich die Bierflasche. »Prost!«, sagte er zu Seifferheld.
Bevor Seifferheld protestieren konnte, schob sich eine fleischige Hand von rechts ins Bild und nahm einen weiteren Sekt-Orange vom Tablett.
»Prosit, Klaus!«, flötete eine Frauenstimme. »Und wer ist das?«
Die Stimme gehörte zu – Tusch! – dem pummeligen Fräulein Mergenthaler, der Zahnarzthelferin von Dr. med. dent. Bodo Beinholt, die ihren einen Meter neunzig, einhundertzwanzigKilo Körper an diesem Abend in einen überwiegend safrangelben Batikkaftan gehüllt hatte. Sie funkelte Melanie ziemlich verkniffen an.
»Ich bin die Melanie«, sagte die Melanie. Die Sachlage verkennend fügte sie noch hinzu: »Sehr angenehm.«
»SIIIIGGI«, dröhnte es vom Treppenkopf bis zur Bar. Irmi wartete auf ihren Sekt. Und Irmi wartete nun einmal nicht gern.
Seifferheld schlängelte sich slalomartig durch die eintreffenden Konzertbesucher – eine Meisterleistung, wenn man bedachte, dass er mit der Linken das Tablett und mit der Rechten seine Gehhilfe hielt –, drückte seiner Schwester das klatschnasse Tablett mit den beiden restlichen halbleeren Gläsern in die Hand und eilte zurück zu Klaus und dem anstehenden Eklat.
Er traf in dem Moment ein, als Fräulein Mergenthaler – die vor der grazilen Rothaarigen wie ein Schweizer Viertausender vor einem Maulwurfshügel aufragte – süßlich zwitscherte: »… und dann haben wir miteinander geschlafen. Oh, es war nicht einfach nur Sex. Es war eine Epiphanie der Fleischlichkeit, ein sinnliches Erweckungserlebnis, Weltklasse-Sex. Klausimaus sagte, dass er mich liebt, aber offenbar liebt er flächendeckend …«
Seifferheld wäre beinahe der Unterkiefer runtergeklappt. Und er hatte Klaus immer für eine männliche Jungfrau gehalten. Schon wegen seines Aussehens. Und überhaupt. Aber so kann man sich irren. Frauen schauten wohl doch eher auf die inneren Werte. Aber Weltklasse-Sex? Von wem hatte Klaus das denn gelernt? Von Mimi 1 und 2?
Am Stehtisch nebenan kicherte jemand.
Melanie, die ihren Sekt-Orange in den maximal zehnSekunden, die Seifferheld abwesend gewesen war, entweder auf ex gekippt oder damit den Teppichboden getränkt hatte, drückte Klaus das leere Glas in die Hand.
»Das tut mir wirklich sehr leid«, sagte sie zu Fräulein Mergenthaler, »ich wusste nicht, dass Klaus liiert ist.«
»Ich bin nicht liiert«, protestierte Klaus. »Das war doch nur …«
Seifferheld stieß seinen Freund mit dem Ellbogen an. Egal, wie dieser Satz weiterging, er würde schlecht enden.
»Ich muss mich jetzt leider entschuldigen – ein plötzlicher Migräneanfall.« Melanie schwebte, man konnte es nicht anders nennen, in einer orangeroten Organzawolke zur Treppe und entschwand den Blicken.
»Melanie«, rief Klaus und wäre ihr sicher hinterhergeeilt, wenn Fräulein Mergenthaler sein rechtes Handgelenk nicht mit eiserner Kraft umklammert gehalten hätte.
»Wo willst du denn hin, Klaus?«, säuselte sie.
In der Zwischenzeit hatten die Umstehenden mitbekommen, dass eine Unterhaltungseinlage geboten wurde. Nur die wenigsten besaßen den Anstand, sich in den Saal und somit außer Hörweite zurückzuziehen.
Die meisten drapierten sich um die drei Stehtische und spitzten die Ohren.
»Wir sollten uns setzen«, schlug Seifferheld vor.
Klaus blickte waidwund. »Also ehrlich, Heide …«
Fräulein Mergenthaler spitzte die Lippen. »Klausimaus, du tauchst einfach unter und meldest dich nicht mehr. Soll es das gewesen sein? So eine Einmalnummer?«
»Da war doch gar nichts«, protestierte Klaus.
»Ha!«, machte Fräulein Mergenthaler.
Der erste Gong ertönte.
Seifferheld schob Fräulein Mergenthaler mit seiner linken Schulter und Klaus mit
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