Kreuzstich Bienenstich Herzstich
der Gehhilfe in den Kniekehlen in den Saal, in die hinterste Reihe, wo niemand saß.
Enttäuschte Blicke folgten ihnen.
»Siggi, wo willst du hin?«, rief Irmi.
»Lass mal gut sein, Tantchen.« Karina nahm Irmi am Brokatkleidärmel und zog sie nach vorn in die vierte Reihe, in der sich seit jeher die seifferheldschen Plätze befanden.
Der Saal füllte sich jetzt rasch, der zweite und der dritte Gong ertönten kurz aufeinander, dann wurde auch schon die Saalbeleuchtung ausgeschaltet, der Scheinwerfer über dem Klavier ging an, und Dian Baker und Eckart Sellheim traten auf die Bühne. Er ein älterer Herr mit schütterem Haupthaar, sie eine nicht mehr ganz junge, exotische Schönheit mit schwarzen Haaren, die bis zum Po reichten.
Karina hatte ihre Freude an dem bunten Kaftan der Baker, auf dem man Palmen und Dromedare sah.
Sellheim führte sehr charmant ins Programm ein. Lauter Werke für vier Hände. Man wollte mit der Sonate in C-Dur, dem
Grand Duo,
von Franz Schubert beginnen.
In der letzten Reihe zischte Fräulein Mergenthaler. »Willst du etwa leugnen, dass wir eine phantastische Nacht miteinander verbracht haben?«
»Nein«, grummelte Klaus, »aber das war es auch. Eine Nacht. Mehr nicht.«
»Pst«, rief fünf Reihen weiter vorn ein entrüsteter Greis.
Vorn auf der Bühne flogen zehn Finger in höchster Virtuosität über die Tasten des Steinway-Flügels.
»Ich wollte dieser kleinen Rothaarigen nur mal Bescheid stoßen. Es ist unanständig, sich den Mann einer anderen zu krallen.«
»Ich bin nicht dein Mann«, rief Klaus.
»Pst!«, zischte es aus mehreren Kehlen.
»Hört mal zu, wir genießen jetzt in aller Ruhe die Musik und klären die Angelegenheit in der Pause, ja?«, schlug Seifferheld vor, der sich zwischen Klaus und Fräulein Mergenthaler gesetzt hatte und sekündlich mit Handgreiflichkeiten rechnete.
»Meinetwegen«, murmelte Fräulein Mergenthaler. »Aber ich will, dass wir uns bei mir zu Hause unterhalten, nicht in aller Öffentlichkeit!«
»Du wohnst doch in der Pampa«, nölte Klaus.
»Selbstverständlich gern«, warf Seifferheld ein.
»Also wirklich, jetzt aber Ruhe!«, donnerte der Greis fünf Reihen weiter vorn.
Alfred Brendel hätte schon längst das Spiel eingestellt und sich beleidigt über die mangelnde Konzentration des Publikums von der Bühne begeben. Baker und Sellheim legten jedoch höchste Professionalität an den Tag und ihrer atemberaubend feinsinnig aufeinander abgestimmten Spielweise war nicht anzumerken, wie sehr sie sich von dem Lärm in den hintere Reihen gestört fühlten. Allenfalls war ihr Allegro moderato einen winzigen Tick weniger moderat als sonst.
Die subtile Impertinenz deutscher Kleinwagen trifft auf die gar nicht subtile Penetranz deutscher XXL-Trägerinnen
Es war zu heiß in dem Lupo von Fräulein Mergenthaler. Viel zu heiß. Seifferheld rann der Schweiß in den Hemdkragen. Er saß hinten, Klaus vorn, Fräulein Mergenthaler am Steuer.
Ruckelnd schoss das Gefährt in Richtung Teurershof. In der Pause hatten sie sich abgeseilt, um in Ruhe über die peinliche Situation zu sprechen.
Auf der Crailsheimer Straße, in Höhe Abzweigung Gelbingen, gerieten sie in eine Radarfalle.
»Diese Schweine!«, rief Fräulein Mergenthaler, die sämtliche Pferdestärken aus dem kleinen roten Geschoss herausgeholt hatte, zu denen der Lupo fähig war. »Ola, los porcos! Nur zu, knipst mich doch!«
Auf dem Foto, das kurz darauf mit der Post kam, sah man die verbissen zusammengekniffenen Brauen wie eine Riesenraupe über den Augen von Fräulein Mergenthaler, die ängstlich aufgerissenen Augen von Klaus und zwischen den beiden ein Stück der Gehhilfe von Seifferheld. Hundertvierzig Euro und drei Punkte in Flensburg.
Seifferheld mochte keine Lupos. Oder hieß es Lupi? Er fand deren Fahrverhalten von subtiler Impertinenz.
Klaus hatte sich nicht allein zu Fräulein Mergenthaler getraut. Also war abgemacht worden, dass Seifferheld als Anstandswauwau respektive Mediator respektive der Mann, der hinterher das Taxi nach Hause bezahlen würde, mitfahren sollte.
Der wilde Ritt schleuderte die drei ordentlich durch.Heide Mergenthaler drückte mit Schuhgröße 41 ½ aufs Gaspedal. Der Lupo ächzte, aber er gab alles.
»Männer sind das Allerletzte«, verkündete sie und erwartete darauf keine Antwort.
Der Lupo schoss am Scharfen Eck über die rote Ampel und hätte beinahe einen schwarzgekleideten Gothic als Kühlerfigur mitgenommen.
Klaus und Seifferheld wurden immer
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