Kreuzzüge
hochwissenschaftlichen Abhandlung. Clios Wortwahl passte jedenfalls nicht so ganz zu einem Vortrag, der primär für Laien gedacht war. Sie hatte ihm einmal erklärt, dass dieser Stil für sie einfach ›dazu gehöre‹ – warum das so war, hatte sie ihm aber nicht gesagt.
»Außerdem möchte ich noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der mir in diesem Zusammenhang wichtig zu sein scheint und eine deutliche Warnung enthält … Wir sind alle an diesem Prozess beteiligt. Terra selbst ist der wohl wichtigste Ursprungsort für genetisches Material, und wenn meine Berechnungen stimmen, werden die durch den Nuklearkrieg ausgelösten ›Saatkörner‹ bald auf anderen Welten niedergehen. Dort werden sie sich ausbreiten und zum natürlichen Bestandteil dieser Ökosysteme werden. Genauso wie es vor Billionen von Jahren auf Terra geschehen ist. Wer weiß schon, ob damit aber nicht auch zugleich die Tendenz zur Atomwaffenentwicklung übertragen wird? Vielleicht sollten Sie alle mal über Folgendes nachdenken: Während der ersten Jahrtausende unserer eigenen Geschichte mussten wir die Grenzen zum Weltall überwinden, ehe wir uns selbst zerstörten. Wir mussten unsere kreativen Kräfte gegen die destruktiven einsetzen. Bis jetzt haben wir das geschafft. Während des nächsten Jahrtausends sollte unser – und damit meine ich alle Spezies und nicht nur die Terraner –, sollte unser vorrangiges Ziel sein, diesen Prozess zu beenden, bevor wir uns alle am Ende immer wieder selbst vernichten.
Und wenn das nicht unsere Aufgabe ist – dann frage ich Sie: Was sonst?« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, und es schien fast, als würde sie jeden einzelnen im Raum ansehen. Kuf befürchtete schon, dass die Zuhörer ihre Worte feindselig aufgenommen hatten, doch da brach schon tosender Applaus los.
»Ich danke Ihnen«, sagte Clio höflich.
Es bildete sich eine lange Reihe von Lebewesen, die ihr alle gratulieren wollten. Das war eine der terranischen Eigenschaften, die Kuf sehr schätzte – ihre Fähigkeit, andere zu begeistern. Aus diesem Grund war auch Vwat so gut mit ihnen ausgekommen, und natürlich auch, weil er von ihrem Schachspiel so fasziniert war.
Kuf hatte sich auch in die lange Schlange der Gratulanten eingereiht, als ihn jemand von hinten ansprach. Er drehte sich um und sah General Toth-Ftari hinter sich stehen.
»Der Erzbischof lässt ausrichten, dass die Privataudienz aufgrund einer dringenden …«
»Der Zeitplan musste nur ein wenig geändert werden«, sagte Bruder Raul, der sich nun zu ihnen gesellte. »Es tut mir Leid, wenn ich dich unterbrochen habe, Iggy, aber eine Minute nachdem er darum bat, beim Erzbischof vorgelassen zu werden, schickte er mich los, um weitere Informationen einzuholen.«
»Dui yfand duwari!«
»Völlig richtig. Was der General gerade sagte, bedeutet grob übersetzt so viel wie ›provisorische Pläne zu machen ist absolut überflüssig‹. Wir mussten die Audienz nur etwas verschieben, weil die kommunistische Delegation außerordentlich eilige Dinge mit dem Erzbischof besprechen wollte. Aber jetzt haben die Kommunisten darum gebeten, dass auch Clio Yeremenko und Sie bei diesem Gespräch anwesend sind, weil Sie mit dem Thema vertraut sind. Der Erzbischof hat sich damit einverstanden erklärt.«
Die Warteschlange, die sich vor Clio gebildet hatte, löste sich plötzlich auf. Anscheinend hatte jemand Clio von dem plötzlich vorverlegten Termin unterrichtet, und nun kam sie zu ihnen herüber. Sie drängte sich durch die Menge und murmelte die ganze Zeit Entschuldigungen vor sich hin.
»Wenn wir durch diese Tür gehen, steht uns gleich ein Wagen zur Verfügung«, sagte Toth-Ftari. »Wenn Sie sonst nichts mehr zu erledigen haben …«
»Nein, eigentlich nicht«, meinte Kuf leicht verwirrt. Er setzte sich hinter Toth-Ftari und Raul in den Wagen – die Rücksitze hatte man für ihn umgeklappt –, und die Simulation eines Strandes glitt an ihnen vorbei. Jetzt erst verstand Kuf, dass der General, der sich offensichtlich nicht mit seiner Physiologie auskannte, vorhin von ihm hatte wissen wollen, ob Kuf sich vor der Fahrt noch einmal erleichtern müsse.
Der Wagen schwenkte in einen unauffälligen, grauen Korridor ein und fuhr an unzähligen, gleich aussehenden Türen vorbei. Nach ungefähr einem Kilometer verlangsamte er das Tempo, drehte sich zur Wand und setzte dann auf dem Boden auf. Die Wagentüren glitten beiseite, und sie stiegen aus. Raul drückte mit der Hand gegen das
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