Kreuzzug gegen den Gral
N'EscIarmun-da.
Zu Bertran de Born und Heinrich von England: Peyrat I S. 60.
21 Was den Einfluß der Kreuzzüge auf die Gralsdichtungen betrifft, so möchte ich die Ausführungen von Kampers übernehmen, enthalten sie doch Schlußfolgerungen, die sich - bei nicht immer gleichen Prämissen
- mit den meinen decken:
»Das viele Mißgeschick der Kreuzzugsunternehmungen hatte ein bedenkliches Erkalten der religiösen Glut zur Folge. Das Übersinnliche
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wird zwar nicht verdrängt aus der Gedankenwelt der ritterlichen Gesellschaft, aber es ist doch nicht mehr so ausschließlich der Leitstern. Eine Außenwelt voll von Märchenpracht und Wunderbarem tritt im Orient herausfordernd an die abendländischen Kämpen heran. Die fremde Natur und die anderen Menschen wecken neugieriges Staunen. In Reiseberichten und ausschweifenden Erzählungen offenbart sich die Erregung der Beobachter. Immer mehr schwinden die alten Vorurteile gegen die Anhänger des Propheten. Man fand im Oriente eine vielfach überlegene Zivilisation, man hörte nichts von Vielgötterei, sondern vernahm das Bekenntnis zu einem einzigen Gott, man sah auch hier Menschen, die das Allgemeinmenschliche richtig zu werten wußten, man kreuzte auch hier häufig die Klinge im ehrlichen Kampfe mit Rittern von ritterlicher Gesinnung. An die Stelle des blinden Vorurteiles trat vielfach eine kurzsichtige Schwärmerei, selbst in den Tagen schwersten Streites. Diese seltsame Stimmung öffnete der geistigen östlichen Flutwelle die zuvor ängstlich behüteten Tore des Abendlandes. Eine Kreuzzugsromantik breitet sich im Westen aus. Diese aber hatte, wie jede Romantik, den Untergrund der Unzufriedenheit, der Sehnsucht nach dem großen Unbekannten - dem Grale ...
Ein gut Teil dieser Kreuzzugsromantik geht in die Dichtung der Zeit über, die Märchenpracht des Orients mit ihren anderen Vorstellungen und Stimmungen bietet der schaffenden Phantasie Stoffe in Fülle dar; diese wird davon berauscht und überwältigt, aber es will noch nicht gelingen, jene fremden Stoffe mit den bodenwüchsigen Erinnerungen und beide wieder mit den christlichen Überlieferungen zu einer harmonischen Einheit zusammenzuschweißen. Wolframs »Parzival« ist ein Zeuge dieser Kreuzzugsromantik. Ihre schemenhafte, halb sinnliche, halb übersinnliche Zwischenwelt steigt in seiner Dichtung auf, und durch diese Welt hallt der Grundton eines tiefen Sehnens. Über alle Abenteuer und Wunder des Märchens erhebt sich als Symbol dieser Sehnsucht ein Heiligtum nicht christlicher Natur und doch wieder von religiöser Art. Auch Wolfram ist erfüllt von jener Toleranz. Man lese nur, wie Parzivals Vater Gachmuret auszieht, um in den Dienst des Erzfeindes der Christenheit zu treten ...
»Baruch den Gesegneten« nennt Wolfram den Kalifen; er findet nichts
Anstößiges darin, daß sein christlicher Held für diesen streitet, ebenso wie in den Schlußteilen seiner Dichtung König Artur ohne Bedenken den heidnischen Halbbruder Parzivals in seine Tafelrunde aufnimmt. Eine so weitgehende, geradezu unkirchliche Toleranz in einem deutschen Gedichte dieser Zeit der Rüstungen gegen den Islam ist auch unter Berücksichtigung jener romantischen Kreuzzugsstimmung nur so zu erklären, daß Wolfram auch hier seiner Quelle folgt. Guiot, welcher in der ketzerischen Provence den geistigen Einflüssen, die von den Mittelpunkten der spanisch-arabischen Mischbildung ausgingen, eher ausgesetzt war, konnte solche Gedanken fassen und prägen ... Der Gral ist weder bei Chrestien noch bei Wolfram eine christliche Reliquie, und doch erscheint er als Gegenstand frommer Scheu ...« (Kampers S. 12 ff.).
22 Die Prosaübertragungen der Gedichte des Marcabrus und Peyrol wurden Peyrat (I S. 193 ff.) entnommen. Marcabrus' Romanze ist auch in Mahn (Biographien S. 15) enthalten.
23 Joachim wollte zwar nicht selbst Prophet sein, erhob aber den Anspruch, die biblischen Weissagungen richtig deuten zu können. Seine Schriften wurden unter der Bezeichnung »Ewiges Evangelium« zusammengefaßt und dienten den spiritualistischen Franziskanern (vgl. Anmerkungen 27) als Waffe gegen das Papsttum. Um 1254 schrieb der Mi-norit Gherardino von Borgo San Donnino eine Einleitung zum Ewigen Evangelium und stellte darin das Papsttum geradezu als ungeistliche Macht hin. Die Schrift wurde auf päpstlichen Befehl konfisziert. Der Verfasser mußte seine Kühnheit mit achtzehnjähriger Kerkerhaft büßen. Vgl. Döllinger: Der Weissagungsglaube und
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