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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Platz war einmal der geistliche Mittelpunkt eines Weltreiches gewesen, das ihre Heimat einschloss. Mit dem Segen, der hier über Kaiser und Könige ausgesprochen worden war, wurden Armeen in Marsch gesetzt, die auch ihr Volk unterjocht hatten. Sie staunten über die Pracht, in der der Dom über ihnen erstrahlte.
    Ihre Rucksäcke waren nicht allzu schwer, denn den größten Teil ihrer Ausrüstung würden sie sich hier und in Deutschland besorgen. Neugierig durchschritten sie die Straßen. Die Fußgängerzone der Mariahilfer Straße überwältigte sie mit ihren teuren Geschäften und großen Märkten, in denen sich schon die Kinder wie Models anziehen lassen konnten. Als sie den Ring mit seinen riesigen Hotelpalästen abliefen, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie hatten gewusst, dass sie in ein reiches Land kommen würden. Sie hatten aber nicht gewusst, was Reichtum wirklich bedeuten konnte.
    An den Auslagen der Konditorei »Sacher« drückten sie sich die Nasen platt.
    Dann wanderten sie die Denkmäler der österreichischen Kaiser und Könige im Bereich der Ringstraße ab. All diese Herrscher entstammten dem Geschlecht der Habsburger, deren spanische Linie Pedros Heimat jahrhundertelang ausgebeutet hatte.
    Als sie das Burgtheater sahen, musste Pedro gegen die Tränen ankämpfen. Zu schön war das alles hier. Während in seiner Heimat die Männer mit vierzig starben, weil sie das wenige Silber, das die Spanier nicht geraubt und nach Europa gebracht hatten, zu ihrem kargen Broterwerb aus dem Berg kratzen mussten, flanierte man hier über prächtige Straßen und besah sich die Angebote der Luxusläden, und wem es zu kalt wurde, der setzte sich in ein Café oder Gasthaus und bestellte sich ein Mahl zu einem Preis, der in Pedros Heimat einem Wochenlohn entsprach.
    Er versammelte seine Leute unter dem Erzherzog-Carl-Denkmal am Heldenplatz und zeigte ringsum auf die herrschaftlichen Häuser: »Das alles ist durch den Reichtum unserer Bodenschätze entstanden. Diese Stadt, dieses Land, der ganze Kontinent. Vergesst nie, dass Millionen unserer Ahnen in den Minen ihr Leben verloren haben. Wir werden das kein zweites Mal zulassen. Yo soy Mi Pueblo!«
    »Yo soy Mi Pueblo!«, murmelte die Gruppe verschwörerisch zurück.
    Die Uhr tickte. Sie hatten ein Jahr lang Zeit, die große Operation vorzubereiten – und den Auftrag der jemenitischen Al-Qaida-Ausbilder zu ihrem eigenen zu machen.

Kapitel neunundfünfzig
    Mittenwald , 23  Uhr 20
    S andra Thaler konnte kein Auge zumachen. Die Welt war in den letzten Stunden über ihr zusammengebrochen.
    Nach der Skitour, die sie allein hatte beenden müssen, weil Markus aus irgendeinem unerfindlichen Grund wie der Teufel den Berg hinabgeschossen war –
Sicher wieder eine dieser lästigen Übungen, und das am Feiertag!,
hatte sie gedacht und war unbeirrt weiter nach oben gespurt –, war sie am frühen Nachmittag in ihre Wohnung zurückgekehrt, um dort in die heiße Badewanne zu steigen. Darin schlief sie über einem Heimatkrimi aus Unterammergau ein und döste gut zwei Stunden bei nachlaufendem Heißwasser vor sich hin, bis es draußen dunkel wurde.
    Sie stieg aus dem Wasser und sah, dass Markus seit 14  Uhr 30 fünfmal versucht hatte, sie auf dem Handy anzurufen, das sie morgens in der Küche auf »stumm« geschaltet liegen gelassen hatte. Bevor sie seine Nachrichten abhörte, versuchte sie ihn zurückzurufen, doch er war übers Handy nicht zu erreichen. Noch im Bademantel setzte sie sich auf die Couch im Wohnzimmer und hielt sich das Mobiltelefon mit der rechten Hand ans Ohr, um die von Markus hinterlassenen Botschaften auf ihrer Mailbox abzuhören, während sie mit der linken den Fernsehapparat anschaltete. Auf allen Kanälen sah sie unglaubliche Bilder. Die Zugspitze . Helikopter landeten auf dem Eibsee wie Hummeln auf dem Käsekuchen. Eine abgestürzte Gondel. Und zu hören bekam sie ratlose Kommentatoren und dazu Markus’ Nachricht: »Muss zum Einsatz. Zugunglück auf der Zugspitze. Komme eher morgen als heute wieder. Mach dir keine Sorgen. Ich liebe dich.«
    Sie brauchte ein paar Minuten, um Markus’ Worte mit den Fernsehbildern in einen Kontext zu bringen. Ihre Schlussfolgerung: Markus steckte dort oben mittendrin, was immer dort auch ablief.
    Sie rief die Freundinnen und Frauen von Markus’ Kameraden an, deren Nummern sie hatte. Alle hatten den gleichen Kenntnisstand: Die Mittenwalder Gebirgsjäger und allen voran der Hochgebirgszug waren zu einem

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