Kreuzzug
Sätze, mit denen sich Kerstin Dembrowski an die Geiselnehmer wandte, waren abgesprochen, und so fanden sich in den entsprechenden Übersetzungen auch keinerlei Fehler. Später, wenn es zu einem Austausch mit den Geiselnehmern kommen sollte – worauf Kerstin Dembrowski zu diesem Zeitpunkt nur hoffen konnte –, würden die Simultandolmetscher des MAD , die irgendwo in Köln saßen, die elektronische Übersetzung checken, damit kein Schwachsinn in anderen Sprachen erschien.
An die Gruppe auf der Zugspitze : Mein Name ist Kerstin Dembrowski. Ich bin von der Bundeskanzlerin beauftragt, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Ich möchte mit Ihnen verhandeln. Bitte antworten Sie.
Im Konferenzraum »Forelle« war es ganz still. Die Leinwand zeigte zwei Browserfenster nebeneinander. In dem einen sah man die Website der Terroristen www. 2962 amsl.com, in dem anderen die Website www.deutschlandverhandelt.de. Beide Webadressen wurden so schnell und häufig wie selten zuvor in den Vernetzungsmedien hin- und hergetwittert, auf Blogs gepostet und kommentiert. Wie eine Google-Auswertung später ergeben sollte, hatte in den ersten Stunden dieses Samstags ein Viertel der Online-Bevölkerung diese beiden Seiten auf dem Schirm. Dass der Server des MAD , der durch das bundeswehreigene Netz mit dem Laptop von Kerstin Dembrowski auf der einen und mit dem Internet auf der anderen Seite verbunden war, diesen Ansturm aushielt, war für die Techniker des Militärischen Abschirmdienstes eine Frage der Ehre.
Dass der Server der Terroristen den Traffic aushielt, war eine Frage der Zeit, hoffte der Einsatzstab. Denn wenn den Terroristen die Möglichkeit der Kommunikation über Schrift und Video abhandenkam, würden sie wohl oder übel sprechen müssen, und dann würde man mehr über sie und ihren Hintergrund erfahren. Hoffte man.
Vorerst tat sich auf der Terroristenseite allerdings nichts. Keine neue Botschaft, keine Antwort auf Kerstin Dembrowskis Gesprächseinladung erschien auf der Leinwand im Krisenstab.
»Warten wir eine Viertelstunde«, entschied die Kapitänin.
Kapitel dreiundsiebzig
Schneefernerhaus , 8 Uhr 07
K eine fünf Minuten hatte Markus Denningers Kommandoeinsatz, gerechnet ab seinem Start vom Gipfelgrat aus, gedauert. Er betrat den zentralen Eingangsbereich des Schneefernerhauses, stellte seine Ski in die Ecke neben das Hausmeisterzimmer und rannte ein Stockwerk tiefer, wo sich der Funker seiner Einheit in einem leeren Büro eingerichtet hatte.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, stieß Denninger zwischen zwei Atemzügen hervor.
»Nichts aus Berlin und nichts vom Stab in Reichenhall oder von Oberstleutnant Bernrieder in Mittenwald «, berichtete der Funker. »Die wollen uns kurzhalten hier. Mobilfunknetz und Internet gehen immer noch nicht. Ich habe aber auf der Notruffrequenz eine seltsame Nachricht für Sie erhalten.«
»Ja, welche?«
Der junge Mann nahm einen Zettel, den er neben dem Funkgerät abgelegt hatte.
»An Hauptfeldwebel Denninger: Eine Dose Red Bull hat 33 240 Kalorien.«
»Bisschen viel, oder?«
Der Funker schaute seinen Zugführer fassungslos an. »Äh, keine Ahnung, ich weiß nur, dass eine Flasche Cola dreißig Würfel Zucker enthält.«
»Dann kommt’s ja vielleicht hin. So, und jetzt müssen Sie doch sicher mal für große Burschen, oder?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wie, bitte?«
»Jawohl, Herr Hauptfeldwebel, bitte gehorsamst, austreten zu dürfen.«
»Genehmigt. Abtreten. Horrido.«
Nachdem sich der verdutzte Funker mit militärischem Gruß und »Joho« verabschiedet hatte, drehte Denninger den Schlüssel um. Dann stellte er am Funkgerät die Frequenz 33 400 Megahertz ein, auf der üblicherweise nur die Berufsfeuerwehren und die Feldjäger funkten.
»Hier Denninger«, sprach er in den Äther.
»Hier Red Bull«, kam es nach kurzer Wartezeit zurück. »Gehen Sie auf maximale Verschlüsselung.«
Denninger drehte am Funkgerät den Schalter für die digitale Verschlüsselung von Null auf 124 Bit.
»Kein langer Chat, okay?«, hörte er die Stimme des CIA -Manns im Kopfhörer. Der hatte natürlich auf seinen Monitoren gesehen, was Denninger widerfahren war. »Den haben Sie ja voll erwischt.«
»Fast so gut wie CSI glotzen, oder? Leider kann er nicht mehr reden.«
»Macht nichts. War Notwehr.«
»Bezeugen Sie das?«
»Hm, die werden die Waffe und die Kugeln finden. Aber jetzt sagen Sie schon: Was Besonderes mit dem Mann?«
»Noch ein Indio.«
»Interessant.«
»Und Sie?
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