Kreuzzug
Erklären Sie mir jetzt, was es mit alldem auf sich hat?«
»Nein, das machen wir später bei einem Bier. Jetzt müssen wir uns darauf vorbereiten, diesen Tunnel zu stürmen.«
»Sie sind wahnsinnig. Da kommen Sie nicht durch.«
»Come on, Denninger, wo ist Ihr Sportsgeist? Ich meine, die Geiselnehmer müssen dort ja irgendwann mal raus. Dafür werden sie einen Plan haben, und den müssen wir in Erfahrung bringen.« So wie er das sagte, zweifelte der Amerikaner offenbar keine Sekunde daran, dass ihnen das auch gelingen würde.
»Ich bin sicher, dass der Krisenstab dort unten alle Möglichkeiten gecheckt hat«, gab Denninger zu bedenken.
»Die Möglichkeiten, die sie kennen und auf die sie kommen, ja. Sie werden alte Pläne wälzen und jeden Kubikmeter dieses Gebirges durchleuchten. Aber eben nur mit Plänen, Denninger. Wir wissen aber: Da war ein Indio im Kammhotel , und der hat nicht den alten Tunnel hinüber zum Schneefernerhaus benutzt, durch den Sie gekommen sind.«
»Er kam von oben, vom Gipfel. Ich habe seine Spuren gesehen.«
»Okay, aber das heißt nicht, dass er nicht einen geheimen Weg benutzt hat, um aus dem Zahnradtunnel auf den Gipfel zu gelangen.«
»Es gibt keinen Tunnel auf den Gipfel«, widersprach Denninger. »Der Gipfel ist nicht breit genug.«
»Das weiß ich. Ich kenne die Pläne der Tunnels, die diesen Berg durchziehen, besser als die meisten Menschen. Ich habe sie ein halbes Jahr lang studiert. Und zwar nicht auf dem Plan. Ich war drinnen.«
»Ich frage jetzt nicht, wieso.«
»Und das ist gut so.«
»Wenn Sie ein halbes Jahr fast darin gewohnt haben, haben Sie denn einen Geheimgang entdeckt?«
»Nein. Aber auch das heißt nicht, dass es keinen gibt. Noch einmal: Die müssen irgendwann hier raus. Sie sind Erpresser und keine Selbstmordattentäter. Also muss es einen Weg nach draußen geben!«
Die Logik dieses Gedankens, den der Amerikaner so stur vertrat, leuchtete nach und nach auch Denninger ein. »Okay, gehen wir mal davon aus, dass es so ist. Dann müssen wir jetzt von der anderen Seite her denken. Wo könnten die Kerle denn hinwollen? Von wo könnten sie am besten abhauen? Wenn wir eine Antwort auf diese Fragen finden, können wir sozusagen ihren geplanten Weg in umgekehrter Richtung gehen, hinein in den Tunnel, verstehen Sie?«
»Guter Ansatz. Also: Wie hauen sie aus Deutschland ab, Denninger?«
»Auto ist Quatsch, und eine Küste haben wir hier in Bayern nicht. Man braucht ein Flugzeug. Aber selbst damit kommt man nicht weit.«
»Oder man bleibt erst mal hier.«
»Wie sagt ihr Amis immer: ›You can run, but you can’t hide.‹ Sich verstecken zu können ist tatsächlich die intelligentere Überlebensstrategie.«
»Und wo versteckt man sich am besten? In einer Masse. Dort werden sie hinwollen. Auf den Gipfel und in der Menge der Wartenden untertauchen.«
»Darum haben sie auch den Mann im Kammhotel vorgeschickt. Um den Weg freizumachen.«
»Den Weg aus dem Schneefernerhaus über das Kammhotel auf den Gipfel. Logisch. Der Mann war auf dem Gipfel als Außenposten, untergetaucht in der Menge der Skifahrer. Und er ist seinen Leuten entgegengegangen.«
»Und da sind noch mehr von seiner Sorte auf dem Gipfel, wette ich. Das heißt, wir sehen uns bald wieder, Red Bull. Denn wer außer meiner Einheit soll die erledigen?«
»Na, dann sehen Sie zu, dass Sie mit einem Trupp hier rüberkommen.«
Bevor Denninger den Funkraum verließ, musste er noch Meldung über den hinter ihm liegenden Einsatz und seine Erkenntnisse machen. Er tat dies auf einer anderen verschlüsselten Frequenz. Die Nachricht ging direkt zum Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam und von dort an den Generalinspekteur im Bundeskanzleramt. Dieser notierte sich die Informationen und gab seinem Adjutanten den Befehl, sie an Kerstin Dembrowski nach Grainau ins Eibsee-Hotel weiterzuleiten. Diese erhielt eine verschlüsselte E-Mail, doch da sie gerade versuchte, mit den Terroristen Kontakt aufzunehmen, ließ sie diese erst einmal in ihrem Posteingangsordner liegen. Die direkten Vorgesetzten Denningers oder die Ermittler von BKA und BND unverzüglich von der Ethnie der zwei Terroristen in Kenntnis zu setzen unterließ der Generalinspekteur. Er wollte das in der nächsten großen Runde in Anwesenheit der Kanzlerin tun.
Denninger ging währenddessen kurz in sein Zimmer, um seine Munitionsvorräte aufzufüllen. Diesmal steckte er alle Magazine, die er in seinem großen Marschrucksack fand, in sämtliche
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