Krieg der Drachen - Roman
diskreditieren. Einen eigenen Bericht zu verfassen und direkt an die Reitergarde zu schicken, konnte ihm nicht helfen. Man würde es nur als weitere Bestätigung für die Feigheit der Mystrianer betrachten und ihn für einen Dummkopf halten, weil er sich hatte überrumpeln lassen. Die bloße Existenz des Berichtes würde man später gegen ihn verwenden – und höchstwahrscheinlich würde sein eigener Oheim es tun.
Und ein Brief an Katherine brachte ganz eigene Probleme. Sie würde den Brief gewissenhaft lesen, aber jeden Hieb überdeutlich spüren. Sie würde stolz auf seinen Sieg sein und sich ehrlich darüber freuen, und zugleich würde seine Verletzung ihr Angst um ihn machen, und das war das Letzte, was er wollte.
Bethany kam mit einer zweiten Kerze, seiner Jacke und Nähzeug ins Zimmer. Sie lächelte. »Bitte teilt Eurer Gattin mit, dass Eure Jacke wiederhergestellt ist.«
Owen blinzelte. »Verzeihung?«
»Ihr schreibt ihr und lasst sie wissen, dass es Euch trotz allem gut geht, nicht wahr?« Sie setzte sich und beugte sich über die Jacke. »Caleb hat mir berichtet, dass Ihr verheiratet seid. Ihr müsst sie vermissen.«
»Das tue ich, Fräulein, sehr sogar.« Owen legte Federkiel und
Messer beiseite. »Doch ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich erfahren möchte, was geschehen ist. Zumindest das nicht.«
Bethany schaute auf und neigte überrascht den Kopf. »Als Ira fort war, wollte ich alles wissen, jede Einzelheit. Er hat geschrieben – jemandem diktiert, meine ich –, und mein Onkel schrieb ebenfalls. Wir bekamen die Briefe natürlich gebündelt. Manche erst lange nachdem …«
»Ich kann mir vorstellen, wie schmerzhaft es war.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht so schmerzhaft wie die Ungewissheit. Männer glauben, uns Sorgen zu ersparen, wenn sie uns etwas verschweigen, doch wir wissen es. Wir spüren, dass etwas ungesagt bleibt, und das bereitet uns noch schlimmere Sorgen. Wir wissen, dass ihr uns etwas verschweigt, das uns Sorgen machen würde, und wir stellen uns die fürchterlichsten Dinge vor.«
»Leider kann meine Gattin kein Blut sehen.« Er lächelte gequält. »Sie hätte niemals tun können, was Eure Mutter getan hat.«
»Ich weiß.«
»Was?« Owen legte die Stirn in Falten. »Ihr nehmt Euch einiges heraus, Fräulein Frost.«
»Ich hatte keine Herabsetzung im Sinn, Kapteyn.« Sie hob seine Jacke. »Mir fiel nur ein wenig kunstvolles Muster der Reparaturen hier auf. Eure Gattin kann nicht mit Nadel und Faden umgehen.«
»Nun, ich fürchte, Ihr seht dort vor allem mein Werk.«
»Ich bin sicher, Eure Gemahlin legt Wert auf Eure Erscheinung, daher werde ich ein paar Fäden lösen und neu vernähen. « Bethany schmunzelte und nahm eine kleine Schere. »Bitte schreibt doch weiter. Ich liebe das Geräusch der Feder auf Papier. Es ist überaus beruhigend, und einer der Gründe, warum ich das Schreiben liebe.«
»Was schreibt Ihr?«
Bethany schaute auf. »Dummes Zeug, Kapteyn. Gedichtfetzen. Nichts, was jemals das Tageslicht sehen wird.«
»Ihr solltet Euch nicht für das schämen, was Ihr schreibt, Fräulein Frost. Ich bin sicher, Ihr besitzt Talent.« Owen seufzte. »Ich fürchte, ich kann noch besser nähen als mich schriftlich ausdrücken, doch werde ich daran arbeiten. Nur ist ein Brief wohl nicht das Richtige. Ich werde ein Tagebuch verfassen. Das wird zu meiner Reise passen. Ich werde heute damit beginnen. Und morgen werde ich ein paar Journalbücher erstehen müssen, um sie mitzunehmen.«
»Es wird mir eine Freude sein, einen Händler für Euch ausfindig zu machen, Kapteyn Radband.« Sie lachte. »Unter einer Bedingung.«
»Und diese wäre?«
»Bei Eurer Rückkehr darf ich es lesen.«
ZEHNTES KAPITEL
29. April 1763
Haus der Frosts, Port Maßvoll
Mäßigungsbucht, Mystria
A ls Owen erwachte, fühlte er sich, als wäre er von einer Reiterhorde niedergetrampelt und dann wohl eine Meile mitgeschleift worden. Sein Kopf pochte, und sein Magen brannte vor Schmerzen. Der Duft frischen Brotes, der in sein Zimmer wehte, war
keine Hilfe. Er ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen, was sein Magen mit Protestkrämpfen quittierte.
Und das Aufstehen war eine Orgie der Schmerzen.
Er musste über sich selbst lachen. Dann warf er die Decke zurück und stand mühsam auf. Tatsache war, dass er schon einmal von einem Pferd niedergetrampelt worden war, und auch schon von anderen mitgeschleift. Das war wirklich übel gewesen. Er rieb sich den großen Bluterguss am Bauch
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