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Krieg der Ordnung

Titel: Krieg der Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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fast so schwarz wie das Holz, das unter ihr lag. Auf seinem ganzen Ritt durch Sarronnyn hatte er noch keinen so großen Lorkenbaum gesehen. Allerdings hatte er auch kaum Muße gehabt, über Bäume nachzusinnen.
    »Du hast nicht viel Zeit gehabt, den Baum zu finden.« Die schlanke junge Frau mit dem silbernen Haar war auf einmal neben dem dicken, dunklen Stamm aufgetaucht. Sie trug ein braunes Kleid.
    »Ist das schon wieder ein Traum?«, fragte er.
    »Nein. Nicht, wenn du Träume als Bruchstücke von Gedanken verstehst, die im Schlaf unzureichend wahrgenommen und verstümmelt erinnert werden.« Ihre Stimme klang silberhell und doch traurig.
    »Aber wer bist du?« Justen wollte ihr einen Schritt entgegen gehen, aber er stand da wie angewurzelt.
    »Du wirst meinen Namen in Naclos finden. Dorthin musst du gehen, wenn du dich selbst finden willst.« Ihr Gesicht verriet keinerlei Regung. »Aber es zwingt dich niemand zu gehen. So lange du dich nicht selbst gefunden hast, ist es dir bestimmt … aber nein, das darf ich nicht sagen.« Sie hielt inne. »Nur so viel, dass du nie zur Ruhe kommen wirst. Denn du hast das Chaos aus der Ordnung erschaffen und das wird dein ganzes Sein verfälschen, bis du das Gleichgewicht findest.«
    Justen dachte einen Augenblick darüber nach.
    Das Rascheln von Schritten, das Knacken eines Astes und das leise Flüstern des Windes weckten den Ingenieur. Er richtete sich vorsichtig neben der Steinmauer auf und suchte mit Sinnen und Augen ringsum die Dunkelheit ab.
    Er blinzelte, als höchstens drei Ellen über ihm in der Luft ein Licht zu schimmern begann, das doch kein Licht war. Das Gesicht eines dunkelhaarigen Mannes sah ihn aus dem wallenden weißen Nebel an.
    Viel zu spät erinnerte Justen sich an seine Ausbildung, in der er gelernt hatte, sich gegen die forschenden Blicke der Weißen Magier zu schützen. Er konzentrierte sich, wob das Sternenlicht um sich und hoffte, er könne sich damit vor natürlichen wie vor magischen Suchern verbergen.
    Eine Zeit, die ihm sehr lang vorkam, blieb er in seinem dunklen Kokon sitzen, bis er sicher war, dass der Weiße Magier ihn nicht mehr sehen konnte. Wer auch immer auf der Straße herumgeschnüffelt hatte, war inzwischen ebenfalls verschwunden. Als er den Schild fallen ließ und wieder ungeschützt in der dunklen Nacht an der Mauer saß, fröstelte er. Trotz der warmen Herbstluft hörten die Schauder nicht einmal auf, als er sich in den Mantel hüllte, weil die Wärme der Decke nicht ausreichte.
    Er fröstelte die ganze Nacht bis in den Morgen und war am Ende so müde, dass er sich erst aufrappelte, nachdem die Sonne aufgegangen war und im Osten schon ein Stück über den Wipfeln der knorrigen Bäume stand.
    Als er sich in der Morgensonne reckte und streckte, um sich aufzuwärmen, erwartete er schon halb, dass er seinen Atem würde sehen können. Mit Sinnen und Augen erforschte er die Umgebung, aber er konnte nur ein paar Vögel, einige kleine Nagetiere und die Stute spüren.
    Er wusch sich im Bach, der eigentlich nicht mehr als ein kleines Rinnsal war, aber das beste Wasser führte, das Justen in der Gegend hatte finden können. Er trank einen Schluck und verzog ob des metallischen Geschmacks das Gesicht. Sein sprießender Bart juckte. Er wünschte, er hätte ein Rasiermesser, aber das war ein Luxus, den er schon lange nicht mehr hatte genießen können.
    Zum Frühstück gab es einen angestoßenen Birnapfel aus der Satteltasche, den Justen bewusst langsam aß. Er hoffte, die Säure der Frucht würde seinen leeren Magen nicht zu sehr belasten. Als er fertig gegessen und sich den klebrigen Saft von den Fingern gewaschen hatte, hörte er schwere Flügel rauschen, dann schrie ein Vogel.
    Ungefähr fünfzig Ellen stromaufwärts war eine Aaskrähe auf einer halb abgestorbenen Weide gelandet. Irgendetwas an dem Vogel störte ihn und so griff er mit den Sinnen hinaus, bis er eine weiße Aura spürte, die seine Befürchtungen bestätigte. Der ferne Weiße Magier stand auf irgendeine Weise mit dem Vogel in Verbindung.
    Die Aaskrähe schrie noch einmal und flog nach Süden davon.
    »Das sieht ja fast so aus, als würden sie uns suchen«, murmelte Justen. Aber warum war der Vogel nach Süden geflogen?
    Er striegelte die Stute rasch mit der Bürste, die er in der linken Satteltasche gefunden hatte, und legte ihr die Decke auf den Rücken. Er wünschte, der Stoff wäre nicht auf beiden Seiten dunkelgrau. Und egal, wie er sie legte, der rote Streifen schimmerte immer

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