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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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haben, dass
jeder weitere Einspruch vergebens war. Er ließ Kopf und Arme hängen und starrte
auf das Richtschwert.
    »Durch dieses Schwert eines Henkers soll ich sterben«, fragte er
kraftlos, »an dem das Blut von Mördern, Dieben, Meineidigen und Ketzern klebt?«
    »Durch dieses und kein anderes«, antwortete Hermann.
    »Kein anderes, sagt Ihr?«
    »Kein anderes, bei meiner Ehre.«
    Ofterdingen nickte. Dann suchte er seinen Knappen im Halbdunkel des
Festsaals, um einen Blick mit ihm zu wechseln. Und dann schoss seine Faust
plötzlich vor und traf den Scharfrichter zwischen den Augen. Der Geschlagene
taumelte einen Schritt nach hinten. Das Schwert entglitt seinen Händen.
Ofterdingen ergriff es am Heft, bevor es zu Boden gefallen war. Und ehe Meister
Stempfel seine Sinne wieder beisammenhatte oder irgendwer sonst reagieren
konnte, hatte Ofterdingen mit einigen Sätzen den Saal durchquert, um das
Schwert aus einem der offenen Fenster zu werfen, wie man einen Speer auf seine
Beute wirft. Der Wurf war so präzise, dass es nicht einmal gegen den Rahmen
stieß, sondern lautlos vom Dämmerlicht verschluckt wurde. Man hörte das Eisen
von fern noch gegen Felsen und durch Gehölz schlagen, aber der endgültige
Aufprall wurde bereits vom Lärm im Saal übertönt.
    Einige der Ritter hatten augenblicklich ihre Plätze verlassen, um
den aufmüpfigen Ofterdingen nötigenfalls niederzuringen, aber der ließ sich
bereitwillig zurück zum Thron des Landgrafen führen. Er hatte erreicht, was er
erreichen wollte. Er entschuldigte sich bei Meister Stempfel, dem ein rotes Mal
die Stirn zierte, für den Schlag.
    Landgraf Hermann schüttelte lediglich den Kopf. »Bist du kindisch
geworden? Wie viele Beweise deiner Würdelosigkeit willst du uns vor deiner
Hinrichtung noch geben?«
    »Alle, die nötig sind, ebendiese Hinrichtung zu verhindern.«
    »Du weißt natürlich, dass ich jeden meiner Ritter um sein Schwert
bitten kann, dies zu vollenden.«
    »Eure Ritter würden ihr Schwert nur ungern durch die Hand eines
ehrlosen Schergen entweiht sehen.«
    Hermann winkte Walther von Vargula heran. »Lasst Meister Stempfel
irgendein Schwert aus der Rüstkammer bringen. – Sollte die neue Klinge freilich
stumpfer sein als die ursprünglich vorgesehene, Heinrich, trägst du allein die
Schuld daran.«
    » Irgendein Schwert darf es freilich nicht
sein, Euer Hoheit«, entgegnete Ofterdingen, »da Ihr mir Euer Wort gabt, dass
ich durch das Richtschwert von Meister Stempfel gerichtet werde. Und durch kein
anderes.«
    Hermann stutzte einen Moment. Dann hatte er begriffen, worauf
Ofterdingen hinauswollte. »Darauf willst du nicht allen Ernstes pochen.«
    »Sonst hätte ich wohl kaum ein Schwert aus dem Fenster geworfen.«
    »Ich werde mich nicht auf solche Spitzfindigkeiten einlassen«, sagte
Hermann. »Erwartest du, dass ich meine Männer ausschicke, im Schnee und
Gesträuch nach einem verlorenen Schwert zu graben, nur damit du ein paar
Stunden länger leben kannst? Es wird nicht geschehen. – Bringt das neue
Schwert!«
    »Hoheit, Ihr gabt mir ein Wort! Wollt Ihr Eure Ehre beschmutzen?«
    »Ich lasse mich nicht von dir zum Narren halten, Ofterdinger!
Unterlass dein niederträchtiges Geschwätz, andernfalls verlässt du diesen Saal
geknebelt.« Der Landgraf erhob sich. »Das Urteil wird im Hof vollstreckt.«
    Walther von Vargula war bereits aufgebrochen, dem Henker sein neues
Handwerkszeug zu besorgen, der Rest der Gesellschaft schickte sich nun an, ihm
auf den Richtplatz, den Burghof, zu folgen. Da warf sich Heinrich von
Ofterdingen zu Füßen der Landgräfin nieder, die den Wortwechsel zwischen ihm
und ihrem Gemahl mit zunehmendem Missmut verfolgt hatte und von der allein noch
Hilfe zu erwarten war, hob seine Hände ihr entgegen und rief: »Steht mir bei!«
    Es war ein Schauspiel: In einer fließenden Bewegung erhob sich
Sophia von Thüringen, nahm ihren Mantel mit der rechten Hand und breitete ihn
über den Liegenden, sodass er Heinrich von Ofterdingens Haupt, Schultern und
Rücken halb bedeckte und gleichzeitig den Blick freigab auf Sophias mütterlich
gewölbten Bauch. Jedermann im Raum hielt den Atem an. Sophia, dem verzagten
Ofterdingen Schirm und Schutz gewährend, gemahnte an die Abbildung einer
Heiligen; an die Mutter Gottes, ihr Kind bergend.
    »Heinrich steht unter meiner Obhut«, sprach sie, »bis er durch das
Schwert des Henkers stirbt, wie man es ihm versprach.«
    Obwohl Sophia Hermanns Namen in dieser Formulierung weislich
vermieden

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