Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
Vom Netzwerk:
hatte, war ihr Gemahl außer sich. Ofterdingen wusste, wann er zu
schweigen hatte. Selbst sein Gesicht verbarg er vor dem wütenden Landgrafen.
    »Seine Freunde«, fuhr Sophia fort, »sollen nicht sagen dürfen, ihm
wäre in der Stunde seines Todes auf der Wartburg Unrecht geschehen.«
    »Er ist ein Schurke«, zischte Hermann. »Er hat dich und alle Frauen
hier beleidigt.«
    »Ja. Aber wie es der Schreiber richtig sagte: Gesetz
ist Gesetz .«
    In Hermann arbeitete es nun sichtbar. Er erwog, seiner Ehefrau zu
widersprechen. Aber er entschied sich dagegen. »Sucht das Schwert«, wies er
seine Ritter an.
    Sophia schlug ihren Mantel wieder zurück und nahm Abstand von
Ofterdingen. Hermann hieß den Verurteilten in Fesseln legen, obwohl es
standesgemäß gewesen wäre, ihn auf sein ritterliches Wort ungebunden zu lassen.
Dann zog Hermann ab. Auch die Damen kehrten in ihre Gemächer zurück.
Ofterdingen dankte der Landgräfin für ihre Fürsprache und schien gar gewillt,
den Saum ihres Gewandes zu küssen, aber sie würdigte ihn keines Blickes. Er
blieb am Boden, bis sie den Saal verlassen hatte. Vom Burghauptmann Eckart und
einigen Wachleuten abgesehen, die auf den Verurteilten Acht geben sollten,
waren die Sänger mit ihren Singerknaben nun im Festsaal unter sich; eine
Konstellation ähnlich jener, die zu diesem Wettstreit geführt hatte.
    Ofterdingen erhob sich und trat an Reinmar heran. »Was immer dich
bewogen hat, meinen Tod zu wünschen«, sprach er mit ruhiger Stimme, »ich
verfluche dich. Ich rufe Gottes Fluch auf dich herab, alter Mann, hörst du? Die
Erzengel sollen dich mit ihren feurigen Schwertern in tausend Stücke
schneiden.«
    Reinmar erblasste und brachte keinen Ton heraus, aber der Schreiber
sprang ihm bei: »Ich bezweifle, Ofterdinger, dass Gott ausgerechnet für Euch
ein offenes Ohr hat.«
    »Wer redet denn mit dir? Der Blitz des Herrn soll dich beim Scheißen
treffen, du räudiger Kriecher.«
    »Herrje, Heinrich«, sagte Wolfram, »du bist wirklich ein
außerordentlich schlechter Verlierer.«
    Dann führte man den Verurteilten aus dem Raum. Der Schreiber nahm
Ofterdingens Fiedel in die Hände, betrachtete sie wie die gewonnene Waffe eines
Kontrahenten und zupfte neugierig an den Saiten. Walther, der seit seiner
Krönung kein einziges Wort mehr herausgebracht hatte, bemerkte bei einem Griff
ins Haar, dass er noch immer die Sängerkrone aus trockenem Lorbeer trug.
    »Rex morietur, vivat rex« , sagte der
Schreiber. »Meine Glückwünsche.«
    Wegen der zunehmenden Dunkelheit musste die Suche nach dem
Richtschwert schon nach einer halben Stunde wieder eingestellt werden. Davon
abgesehen, dass sich keiner der Knechte außerhalb der Burg aufhalten wollte,
wenn die Nacht hereinbrach, war die Suche im Finstern ohnehin müßig. In der
kurzen Zeit hatte man am Fuß des Felsens nichts gefunden außer Tierspuren,
Unrat – und den Knappen des Ofterdingers, Rupert, der auf einen Wink seines
Herrn bereits mit der Suche begonnen hatte, während man im Festsaal noch
diskutierte. Der Pullane wurde ohne Erfolg durchsucht. Man musste seinen Worten
Glauben schenken, dass auch er nichts gefunden hatte.
    Der Landgraf schäumte, als ihm diese Kunde überbracht wurde. Er
ordnete an, die Suche fortzusetzen, sobald der Morgen graute. Rupert und
Konrad, Ofterdingens Getreuen, wurde bis zur Vollstreckung des Urteils
untersagt, die Burg zu verlassen. Heinrich von Ofterdingen selbst wurde in
einer Zelle im Südturm arretiert, wo er sich eine weitere Nacht an seinem Leben
erfreuen konnte. Die Enthauptung des Verlierers im Sängerstreit auf der
Wartburg war um einen Tag aufgeschoben worden.

ZWISCHENSPIEL
    »Wurde das Schwert gefunden?«, unterbrach Luther den
Teufel.
    »Natürlich. Es dauerte freilich eine ganze Weile. Und damit endet
diese traurige Geschichte.«
    »Ich wusste nicht, dass das Nibelungenlied von Heinrich von
Ofterdingen stammt.«
    »Das weiß niemand. Sein Name starb mit ihm. Der Nachruhm blieb im
verwehrt.«
    Luther blinzelte. Hinter den Fenstern war es noch immer
stockfinster, aber an den Kerzen konnte er ablesen, wie viele Stunden vergangen
sein mussten, seit der Leibhaftige mit seiner Erzählung begonnen hatte. Ein
Docht war bereits im Wachs ertrunken.
    »Dafür, dass du mir anfangs gar nichts vom Sängerkrieg erzählen
wolltest, warst du nicht gerade um Kürze bemüht«, sagte Luther. »Ich frage
mich, ob so mancher Seitenstrang dieser Geschichte wirklich nötig gewesen
wäre.«
    »Es gehört alles dazu«,

Weitere Kostenlose Bücher