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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Empörung nicht Luft
zu machen!«
    »Ich glaube nicht, dass der ehrenwerte Meister Reinmar es nötig hat,
seinen Richterspruch auch noch zu erklären.«
    Reinmar hob beschwichtigend die Hände. »Nein, Euer Hoheit, lasst
nur. Wenn er es denn unbedingt wissen will, soll er es erfahren. Er soll nicht
mit unbeantworteten Fragen von uns gehen.« Dann wandte er sich an Ofterdingen
und fuhr mit halblauter Stimme fort: »Du weißt, ich schätze dich sehr,
Heinrich, aber hier in diesem Wettkampf ging es nicht um den Dichter, sondern
um seine Dichtung. Und nicht nur im Gegensatz zur Leichtigkeit eines Wolfram
sind deine Nibelungen eine schwere, gehässige Kost, die mir unerträglich ist.«
    »Dann verachtest du die deutschen Sagen so sehr, dass du ihm diesen
welschen Minnetand mit seinen Wundern und Zauberschlössern vorziehst?«
    »Was kümmert mich die Herkunft? Deinem Lied fehlt die Seelenkunde,
die Gedankentiefe; es kennt Leidenschaft nur ohne Liebe und keinerlei Tugenden
außer einer blinden, mörderischen Treue. Deine Helden sind eherne Wesen, die
nur durch sich und für sich existieren. Deine Helden sind keine Ritter, sondern
Wilde.«
    »Und bildete ich damit die Wirklichkeit nicht exakter ab als jeder
meiner Kontrahenten?«
    »Die Frauen in deiner Geschichte sind Furien!«
    »Wer sagt denn, dass Frauen weniger verdorben sind als Männer, nur
weil sie besser riechen?«
    »Du hast ein bedauernswert schlechtes Bild von den Menschen«,
seufzte Reinmar. »Aber selbst wenn dem so wäre; selbst wenn die Welt so finster
wäre, wie du sie uns malst; selbst wenn – Gott sei mir gnädig – der Erlöser
keinen Einfluss auf unser Leben hätte – wäre das nicht vielmehr ein Grund für
alle Dichtung, Vorbild zu sein? Soll man an ihr nicht wachsen und den Wunsch
nähren, ein besserer Mensch zu werden?«
    »Nein, soll man nicht«, antwortete Ofterdingen flach. »Wer eine
Predigt will, gehe in die Kirche. Mir höre zu, wer die Wahrheit liebt.«
    »Die Wahrheit, in der Tat! Eine traurige Wahrheit! Zu Mord und
Habgier stiften deine Nibelungen an, ob man sie nun unten in den Schenken hört
oder oben auf den Burgen. Und deshalb gehören diese blutigen Sagen aus
vorchristlichen Zeiten wie das verfluchte Gold darin auf den Grund des tiefsten
Flusses versenkt.«
    »Armer Narr, wie bist du blind«, fauchte Ofterdingen und drehte
Reinmar, den er nicht mehr zu bekehren hoffen konnte, den Rücken zu, um
Unterstützung bei den anderen Sängern zu suchen.
    »Wenn man auf mich nicht hört«, appellierte Ofterdingen an Wolfram,
Walther, Biterolf und sogar den Schreiber, »so beschwöre ich euch, bei der
Bruderschaft, die wir Sänger bilden, erhebt eure Stimmen gegen dieses
Fehlurteil!«
    Doch die Angesprochenen schwiegen. Sie betrachteten Ofterdingen wie
die vier Erzengel den Luzifer, den Gefallenen und Geächteten. Ofterdingen
packte Wolfram nachdrücklich bei den Armen. »Wolf!«
    »Selbst wenn wir ein Wort in dieser Sache hätten«, entgegnete
Wolfram sanft, »verlangst du, dass einer von uns sein Leben opfert, um dich zu
retten?«
    »Ist das alles, worum es euch geht – das Leben?«
    »Beendet dies unwürdige Zetern«, bat der Schreiber mit einem
beißenden Unterton. » Dura lex sed lex . Die Regeln
dieses Wettkampfs waren eindeutig. Oder habt Ihr ihnen etwa nur zugestimmt
unter der Bedingung, dass sie nicht auf Euch angewandt werden? – Im Übrigen
teile ich das scharfe Urteil des ehrenwerten Reinmar. Oder, um es in Euren
eigenen Worten auszudrücken: Gänsefutter war die Sage der Nibelungen, und
Gänsekot ist sie unter Eurem Gänsekiel geworden.«
    Man sah Ofterdingen förmlich beben unter der Anstrengung, die es
brauchte, das Gespött des Kanzlers nicht mit der Faust zu beantworten. Er hatte
erkannt, dass seine Sache auch bei den Sängern verloren war, und wandte sich
daher an die höchste Instanz im Saal: an den Thüringer Landgrafen.
    Doch noch bevor Ofterdingen sprechen konnte, antwortete Hermann
schon: »Haltet mich heraus aus eurem Streit! Ich war von Anfang an dagegen und
habe erfolglos versucht, euch diesen tödlichen Wettkampf auszureden! Aber ich
gäbe mich sicherlich dem Gespött preis, wenn ich dich nachträglich begnadigen
würde. Also, Heinrich von Ofterdingen: Wie du hoch erhobenen Hauptes in diesen
Wettstreit gegangen bist, solltest du jetzt hoch erhobenen Hauptes zum
Richtplatz schreiten.«
    Auf einen Wink des Landgrafen trat Meister Stempfel vor, das
blankgezogene Schwert in der Hand. Ofterdingen schien begriffen zu

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