Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
Orbitals, als zöge sie das Äquivalent von Gravitation nach unten, obwohl sie eigentlich Zentrifugalkraft ausgesetzt sein sollten. Yime griff noch nach der Handwaffe des Kommandositzes, als eins der Geschöpfe auf die Blase sprang, sie durchbrach und dort landete, wo Yimes Schoß gewesen wäre, wenn sie sich nicht in der Schutzpanzerung der Kanonenkontrollen gedreht hätte. Die Dekompression schuf plötzlichen weißen Dunst in der Kommandoblase, und er verschwand zusammen mit der entweichenden Luft. Das Geschöpf mit dem Totenschädel– eine Maschine, sah Yime jetzt– schob sein Gesicht an ihrs heran, und obwohl es in der Blase keine Atmosphäre mehr gab, in der sich Schallwellen ausbreiten konnten, sagte es klar und deutlich: » Ende der Übung!«
Yime seufzte und lehnte sich an einem ganz anderen Ort zurück, als sich die zerbrochene Kommandoblase und das zum Untergang verurteilte Orbital wie Nebel um sie herum auflösten.
» Es war unangenehm, erschreckend und von geringem praktischem Nutzen«, wandte sich Yime Nsokyi ernst an ihren Übungsleiter. » Diese Übung war wie eine Strafe, eine Simulation für Masochisten. Ich sehe kaum einen Sinn darin.«
» Zugegeben, extremer kann’s kaum werden«, sagte der Übungsleiter heiter. » Ein äquiv-technischer Großangriff mit der Gefahr der völligen Zerstörung eines Orbitals.« Hvel Costrile, ein älterer Mann mit dunkler Haut, langem blondem Haar und nackter Brust, sprach von einem Wandschirm in Yimes Apartment zu ihr. Er schien sich irgendwo auf einem Seeschiff zu befinden: Im Hintergrund zeigte sich eine große Wasserfläche, und seine unmittelbare Umgebung– ein Plüschsessel und Relings– kippte immer wieder von einer Seite zur anderen. Der Wandschirm zeigte das Bild in 2D, was Yimes Wunsch entsprach. Sie mochte es nicht, wenn die Dinge zu sehr nach etwas aussahen, das sie nicht waren. » Allerdings recht lehrreich, finden Sie nicht?«
» Nein«, erwiderte Yime. » Ich kann nichts Lehrreiches darin erkennen, einem ganz und gar unaufhaltsamen Angriff ausgesetzt zu sein und innerhalb weniger Minuten überwältigt zu werden.«
» In einem echten Krieg geschieht Schlimmeres, Yime«, sagte Costrile mit einem Lächeln. » Schnellere, umfassendere Zerstörung.«
» Ich schätze, solche Simulationen wären noch weniger lehrreich, abgesehen vielleicht von der Weisheit, eine entsprechende Ausgangssituation zu vermeiden«, betonte Yime. » Außerdem fällt es mir schwer, den Nutzen einer Simulation zu erkennen, in der ich eine neurale Borte besitze. Ich hatte nie eine und habe auch nicht die Absicht, mir eine zuzulegen.«
Costrile nickte. » Das war Propaganda. Neurale Borten sind in so extremen Situationen nützlich.«
» Es sei denn, sie sind beschädigt. Dann könnten sie für den Träger zu einem weiteren Problem werden.«
Costrile zuckte die Schultern. » Ich schätze, dann ist die Sache ohnehin so gut wie erledigt.«
Yime schüttelte den Kopf. » Nicht unbedingt.«
» Wie auch immer, mit solchen Borten sind leichte Back-ups möglich«, sagte der Übungsleiter im Tonfall der Vernunft.
» Ich habe mich trotzdem dagegen entschieden«, entgegnete Yime kühl.
» Na schön.« Costrile seufzte und nahm einen Drink von jemandem entgegen, der nicht im Bild erschien. Er hob das Glas, als wollte er ihr zuprosten. » Bis zum nächsten Mal? Ich verspreche Ihnen etwas Praktischeres.«
Sie nickte. » Bis dann. Kraft in Tiefe.« Aber der Schirm war bereits leer. » Schirm aus«, sagte sie trotzdem und wies den relativ dummen Hauscomputer an, alle eventuell noch vorhandenen Verbindungen zu unterbrechen. Intelligente Haussysteme störten Yime nicht, aber sie lehnte jede Form von Abhängigkeit und Unterlegenheit ab. Gern hätte sie ihre Zufriedenheit darüber zugegeben, in ihrer allgemeinen Umgebung, und insbesondere in ihrer Unterkunft, die weitaus intelligenteste Person zu sein. In nicht vielen Wohnstätten der Kultur konnte man einen solchen Anspruch glaubhaft vertreten.
Prebeign-Frultesa Yime Leutze Nsokyi dam Volsh zog den Namen Yime Nsokyi vor. Sie hatte ihr Heimatorbital verlassen, und deshalb mangelte es ihrem Namen an praktischem Nutzen, da er nicht einmal mehr annähernd ihre Adresse angab. Schlimmer noch: Den Namen eines Ortes zu tragen und an einem anderen zu leben, fühlte sich für sie fast wie Betrug an. Sie ging zum Fenster, nahm eine schlichte Bürste von einem kleinen Tisch und fuhr damit fort, ihr langes Haar zu bürsten. Damit war sie beschäftigt
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