Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
hoffnungslose Naivität, wenn ich frage, ob es eine Alternative gibt.«
» Es liefe mehr auf eine hoffnungslose Unfähigkeit hinaus, mit der Realität klarzukommen«, erwiderte der Avatar. » Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihnen der Anzug zu dünn erscheint. Ein Außenpanzer kommt darüber. Ich bereite gerade einen vor.« Er nickte zum inzwischen voll strukturierten Badezimmer. » Seien Sie nun ein braves biologisches Geschöpf und erledigen Sie Ihre Geschäfte, ohne noch mehr Zeit zu verlieren.«
Lededje bedachte Demeisen mit einem durchdringenden Blick, aber er sah wieder auf den Schirm. Nach einigen Sekunden drehte sie sich ruckartig um und stapfte zum Bad.
» Müssen Sie Blase und Darm entleeren?«, rief Lededje aus dem Badezimmer. » In Ihrer menschlichen Gestalt?«
» Nein«, antwortete der Avatar. » Es ist keine biologische Notwendigkeit. Ich bin dazu imstande, wenn ich getrunken und gegessen habe, gewissermaßen um sozialen Erfordernissen zu genügen. Aber es kommt ebenso heraus, wie es hereinkam. Natürlich gekaut, im Fall von fester Nahrung. Meine Ausscheidungen wären ess- und trinkbar. Vorausgesetzt, sie sind nicht so lange in mir gewesen, dass ein gewöhnlicher, von Mikroorganismen im Essen und Trinken eingeleiteter Zersetzungsprozess begonnen hat. Ich bin auch in der Lage, auf recht überzeugende Weise zu rülpsen und zu furzen. Manche Menschen essen gern, was aus Avataren herauskommt. Sehr seltsam. Aber so sind Menschen eben.«
» Entschuldigung, dass ich gefragt habe«, murmelte Lededje und zog sich aus.
» Ha! Dachte mir, dass es Ihnen leidtun würde«, verkündete der Avatar fröhlich. Manchmal vergaß Lededje, wie gut sein Gehör war.
Sie pinkelte eher symbolisch und legte dann den Gel-Anzug auf den Boden. Die trüben Teile befanden sich größtenteils am Rücken. Oder vorn– es ließ sich kaum feststellen. Sie waren länglich und liefen spitz zu, sahen aus wie lange, fast transparente Muskeln.
Lededje betrachtete ihr Abbild in einem spiegelnden Invertor. Die Tätowierung war ein erstarrter Sturm aus wirbelnden schwarzen Linien auf ihrem Körper. Nach dem Verlassen des Allgemeinen Systemschiffs hatte sie viel Zeit damit verbracht zu lernen, wie man die Beschaffenheit des Tattoos veränderte. Sie konnte die Linien dicker und dünner gestalten sowie Anzahl, Farbe und Glanz beeinflussen. Außerdem war sie in der Lage, Einfluss auf ihre Form zu nehmen. Sie konnte die Linien in jede beliebige Form bringen, Kreise, Quadrate, andere geometrische Figuren aus ihnen bilden oder aus Tausenden von veränderbaren Mustern wählen.
Mit gerunzelter Stirn blickte sie auf den silbernen Ring an ihrer linken Hand hinab. » Was ist mit dem Terminalring?«, fragte sie.
» Keine Sorge. Der Anzug passt sich an.«
Sie zuckte die Schultern. Meinetwegen, dachte sie und trat auf den unteren Teil des Anzugs. Öffnungen für die Füße schien es nicht zu geben.
Als sie schon glaubte, dass nichts passieren würde und dass sie sich vielleicht bücken und versuchen sollte, das Ding irgendwie an sich hochzuziehen, geriet der Anzug plötzlich in Bewegung und stieg an ihr hoch. Er klumpte sich im Bereich der Füße zusammen, kroch an den Beinen hoch, umschlang den Körper, floss über die Arme und bildete eine Art Kragen am Hals. Das Material des Anzugs bewegte sich schneller als die Linien der Tätowierung, und es schien Körpertemperatur zu haben. Wie beim Tattoo spürte Lededje kaum etwas davon.
» Der Anzug hat am Hals haltgemacht!«, rief sie.
» Das ist normal«, rief Demeisen zurück. » Er schließt sich ganz um Sie, wenn Gefahr droht, oder wenn Sie ihn dazu auffordern.«
» Wie macht man das?«
» Sagen Sie › Helm auf‹. In den meisten Fällen genügt auch ein › Huch!‹.«
» Soll das heißen, der Anzug ist… intelligent?«, fragte Lededje. Die Worte kamen einem erschrockenen Kreischen näher, als ihr lieb war.
» Das Ding ist dümmer als eine Messerrakete«, sagte der Avatar und klang amüsiert. » Aber es erkennt Sprache und kann ein Gespräch führen. Es soll selbst dann auf eine wahrgenommene Gefahr reagieren, wenn Sie schlafen, Led. Ganz dumm kann es also nicht sein.«
Ihre Augen wurden groß, und sie schnappte nach Luft, stellte sich auf die Zehenspitzen. » Er hat mir gerade etwas gegeben, das sich nach einem Analstöpsel und einem Pessar oder Vaginalzäpfchen anfühlt«, sagte sie und hörte, dass ihre Stimme höher war als sonst. » Ich will stark hoffen, dass das eine
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