Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
der einen Seite, und die Baumwipfel empfingen das Licht einer rötlichen Sonne, die durch eine Schicht aus dunstigen Wolken über den Horizont stieg.
Veppers saß im Heck auf einem der Jagdstühle und blickte durch die unsichtbare Barriere zum spätherbstlichen Sonnenaufgang. Einige hohe Türme in Ubruater reflektierten das erste direkte Licht des Tages und blitzten rosarot.
Er blickte auf das Lasergewehr, das eingeschaltet, aber noch immer inaktiv vor ihm lag. Niemand leistete ihm auf der Schießgalerie Gesellschaft; derzeit wollte er niemanden in seiner Nähe haben. Selbst Jasken befand sich im Hauptpassagierabteil, zusammen mit den anderen. Unten stieg ein erschrockener großer Vogel in einem Chaos aus Zweigensplittern und Federn auf, und Veppers streckte die Hand nach dem Lasergewehr aus, ließ sie dann aber wieder sinken und sah dem davonfliegenden Vogel nach.
Er wusste, dass es ein schlechtes Zeichen war, wenn er den Spaß an der Jagd verlor. Beziehungsweise am Schießen. Von » Jagd« konnte wohl kaum die Rede sein. Das war nichts weiter als Heuchelei, begriff er jetzt. Im Tiefflug Vögel aufzuscheuchen und sie dann abzuschießen– eine echte Jagd sah anders aus. Aber es war eine nützliche Heuchelei gewesen. Sie hatte ihm einen Vorwand geliefert, denn die Waldstreifen waren nötig gewesen.
Veppers fühlte sich schwer, als der Flieger aufstieg und dem Hang eines Hügels folgte.
Es kam jetzt alles zu einem Ende. Andererseits… Er hatte immer gewusst, dass es eines Tages vielleicht enden würde.
Er beobachtete, wie die Landschaft hinter dem Flieger zurückblieb, spürte dabei, wie sich sein Gewicht verringerte, als der Flieger die Kuppe des Hügels erreichte und wieder tiefer ging. Kurz darauf kehrte die Maschine in den waagerechten Flug zurück, und Veppers’ Gewicht nahm wieder zu. Der Hügel hatte ihm die Sicht auf Ubruater genommen, und die aufgehende Sonne war hinter einem Höhenzug im Osten verschwunden.
Eine sonderbare Unruhe erfüllte Veppers. Vielleicht musste er einfach nur vögeln. Er erinnerte sich an Sapultrides Mädchen, Crederre, wie sie ihn geritten hatte, auf diesem Sitz, vor… zehn oder elf Tagen? Wie wär’s mit Pleur? Oder einem der anderen Mädchen? Er stellte sich vor, zwei von ihnen eine Nummer schieben zu lassen, direkt vor ihm. So etwas konnte erstaunlich beruhigend wirken.
Selbst der Gedanke an Sex konnte die seltsame Unruhe nicht aus ihm vertreiben, und auch das war ein schlechtes Zeichen.
Vielleicht nur eine Massage. Er konnte Herrit rufen und sich von seinen Händen und Fäusten bearbeiten lassen, bis ihn Anspannung und Sorgen verließen. Allerdings wusste er, dass auch das nicht funktionieren würde. Veppers überlegte, ob er sich an Scefron wenden sollte, seinen Substanzverwendungs-Mediator. Nein, keine Drogen. Verdammt, an diesem Morgen war er wirklich nicht gut drauf. Gab es denn nichts, das ihm helfen konnte, seine Stimmung zu verbessern?
Nichts, außer einem Abschluss dieser Sache, dachte er. Sie ging ihm an die Nerven.
Er war der reichste und mächtigste Mann im ganzen Enablement, verfügte über weitaus mehr Mittel und Einfluss als sonst jemand, aber trotzdem lagen seine Nerven blank. Weil das, worauf er sich eingelassen hatte, ihn noch viel reicher und mächtiger machen konnte. Doch es bestand auch die Möglichkeit, dass es ihn ruinierte und Schande über ihn brachte, ihn in Armut und in den Tod stürzte.
Vor einem großen Geschäft, wenn die Dinge einem Höhepunkt entgegenstrebten, war es ihm immer so gegangen. Daran erinnerte er sich jetzt; das letzte Mal lag schon eine ganze Weile zurück.
Was für ein Wahnsinn. Warum setzte er alles aufs Spiel? Man riskierte nie alles; man riskierte so wenig wie möglich. Man gab zu verstehen, alles zu riskieren, insbesondere Idioten gegenüber, die glaubten, dass man auf diese Weise reich wurde, aber in Wahrheit reduzierte man das eigene Risiko auf ein Minimum. Wenn man dann einen Fehler machte– und jeder machte Fehler; das passierte, wenn man sich Mühe gab–, so brachte er einen nicht gleich um. Sollten sich andere ruinieren– bei den Trümmern konnte man immer reiche Beute machen–, aber man riskiere nie selbst zu viel.
Doch jetzt riskierte er alles.
Nun, es geschah nicht zum ersten Mal, dass er viel aufs Spiel setzte. Die Sache mit dem Raumspiegel, auf die er sich zusammen mit Grautze eingelassen hatte, hätte der Ruin für ihn und die ganze Familie sein können, wenn sie zu früh bekannt geworden wäre.
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