Krieg im Himmel
interessant, dass sich die einzige Macht, die du über sie hast, auf deine Liebe zu ihnen und ihre Liebe zu dir gründet. Auch wenn sie nicht mehr unverdorben ist …«
»Wirklich? Das ist deine Eröffnungssalve? Liebe ist Macht?« Ich schaffte es nicht, meine Verachtung zu verbergen. Allerdings gab ich mir auch keine besondere Mühe, es zu tun.
Er lachte. »Ja, es klingt abgedroschen, wenn du es so formulierst. Es ist leicht, es mit Zynismus abzutun, aber es ist trotzdem wahr.«
»Was machst du also hier?«
»Wir werden uns ein bisschen unterhalten.« Du meinst, du willst so viele Diagnoseprogramme und Analyseroutinen wie möglich starten, um einen tieferen Einblick in mich zu erhalten. »Danach werde ich etwas beten. Ich würde dich gern bitten, es mit mir zu tun, aber ich glaube kaum, dass es geschehen wird.« Das heißt, du willst es mit ein paar Codes probieren, weil du glaubst, dass der alte Jakob noch irgendwo hier drinnen ist. Ist er aber nicht. Es ist eine Vereinigung. Ich bin im Fleisch, nicht in der Maschine, alter Mann, aber du kannst dich gern auf die harte Tour selber davon überzeugen.
»Wie soll ich dich nennen? Exorzist?«, fragte ich, worüber er lachen musste. »Ist es für dich angenehmer, wenn ich so aussehe?« Es war nur eine kleine Änderung, die ich vornahm. Der Avatar sah nicht mehr wie ich aus. Ich war zur Bestie geworden. Ich bemerkte, wie ihm die Gesichtszüge entgleisten. Nicht wegen der ziegenköpfigen Gestalt, die ich annahm – die schon lange keine Furcht mehr auslöste –, sondern wegen der Kontrolle, die ich darüber ausübte. Die totale Kontrolle über meine Umgebung, ausgenommen den verdammten Kreis.
»Mein Name ist Salem«, sagte er, nachdem er sich schnell wieder gefasst hatte.
»Ist dies deine Zuflucht?«
»Eine Kopie eines Teils davon. Wir befinden uns in einem isolierten System.«
Verdammt. Trotzdem konnte ich nicht so tun, als wäre es eine Überraschung.
»Wo soll sich dieser Ort befinden?«
»Hier wurde ich als kleiner Junge unterrichtet, in Jerusalem vor dem Krieg.«
»Du bist wirklich sehr alt.«
Er lächelte nur.
»Und warum ist euer ganzes Volk so verdammt sentimental?«
»Verbindungen, Identität. Ich glaube, das gehört dazu, wenn man mit dem zufrieden ist, was man ist.«
»Ich könnte dafür sorgen, dass du mit dir und mit Gott zufrieden bist.«
Wieder lächelte er nur. Zu früh. Wir würden später darauf zurückkommen.
»Was hat das hier mit dir zu tun?«, fragte ich.
»Es ist meine Pflicht.«
»Also bist du doch ein Exorzist?«
»Ich glaube, jeder hat die Pflicht zu helfen, wenn er kann.«
»Wunderbar. Wenn du einfach diesen Kreis aufbrechen könntest, würde mir das wirklich sehr helfen.«
»Ich bin hier, um Jakob zu helfen.«
Ich beugte mich vor und wählte meine Worte mit Bedacht. »Ich bin Jakob. Wann verstehen die Leute das endlich? Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Du bist ein böser Dschinn, der seinen Körper übernommen hat.«
»Hast du das mit deinem Analyseprogramm herausgefunden?«
Ihm stand ins Gesicht geschrieben, dass die Antwort darauf ein Nein war. »Du hast die Macht eines Ifrit …«
»Und du bist nur einen Schritt von einem beschissenen Medizinmann entfernt. Vielleicht solltest du ein bisschen mit einer Knochenrassel herumwedeln.«
Die Beleidigung ließ ihn zusammenzucken. Gut, wenn die Leute mir ihre empfindlichen Stellen zeigten.
»Das ist nur Terminologie. Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, was du bist?«
»Ich bin Jakob Douglas, und ich glaube, dass du keinen blassen Schimmer hast. Wenn du etwas wüsstest, wärst du nicht hier, verdammte Scheiße.«
»Sind diese Flüche wirklich nötig?«
»Fick dich selber.«
»Damit setzt du dich selbst herab.«
Ich hätte gern aufgehört, mich mit diesem scheinheiligen Arsch zu unterhalten. Seine unerschütterliche Ruhe ging mir auf die Nerven, aber ich brauchte etwas, wo ich ansetzen konnte. Ich musste ihn so wütend machen, dass er auf mich losging.
»Ich finde Zuflucht in Allah vor dem Stolz, der Poesie und der Berührung Shaitans, des Verfluchten«, sagte Salem zu sich selbst.
Ich musste lachen. Es klang wie etwas aus dem Mittelalter. Trotzdem lag etwas sehr Elementares in seinen Worten, das mir nicht gefiel.
»Hast du Angst?«, fragte ich.
Er nickte. »Du bist sehr gefährlich.«
»So müsste es nicht sein. Es geht um die Ankunft eines wirklichen Gottes, nicht um eine Wohlfühl-Fantasie, mit der Hass und Gewalt gerechtfertigt werden sollen …«
»Was
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