Krieg im Himmel
bei Bewusstsein, um von meinem Gefängnis aus würdigen zu können, was ich tat.
War ich wirklich so ruhig? Die meiste Zeit konnte ich nichts tun außer schreien. Ich schlief, wenn er schlief, und träumte von nichts, um irgendwann zu erwachen und weiterzuschreien.
Aber nicht jetzt. Jetzt liege ich auf dem kalten Metallboden meines Käfigs, in Embryonalhaltung zusammengerollt, zitternd und weinend wie ein verängstigtes Kind. Ich höre mich selbst, wie ich gegen den heiligen Mann wettere.
Ich spüre etwas Raues auf meiner Haut. Etwas weht im warmen Wind gegen mich. Eigentlich sollte es in dieser Leere keinen Wind geben. Ich öffne die Augen. Auf dem Boden meines Käfigs hat sich feiner Sand angesammelt, und mehr davon weht durch die Gitterstäbe herein. Ich setze mich auf und beobachte, wie dieser Wind aus dem Nirgendwo mit dem Sand spielt und Muster bildet.
Ich fühle mich leer. Ich bringe kaum noch Kraft für irgendwelche Emotionen außer Hass und Selbstverachtung auf. Ich bin zum Schlimmsten geworden, das ich mir vorstellen kann. Die Furcht kommt mir redundant vor.
Da ist immer noch ein Kribbeln im Hinterkopf, vielleicht tief im Reptiliengehirn, als es sich aus dem Sand erhebt. Es ist ein in Gewänder gehüllter Wüstengeist. Der Kopf ist mit einer Shemagh umwickelt, so dass die Gesichtszüge verdeckt sind – sofern er welche hat. Der Geist bildet sich aus dem Sand und wird ständig neu gebildet, während der Wind die Körnchen in die Leere hinausweht.
»Was bist du?«, frage ich. Meine Kehle sollte wund und blutig sein, aber dies ist nicht die reale Welt.
»Ich bin ein intelligentes Computervirus mit begrenzter Sprachfähigkeit. Es tut mir leid, aber es wird wehtun. Sehr.« Ich glaube, er spricht Arabisch, aber irgendwie verstehe ich die Worte. Ich erkenne die Stimme des heiligen Mannes wieder.
»Was wird wehtun?«
»Hinknien! So ist es richtig. Knie dich hin, du Scheißer!« Muskeln werden deformiert, mein Mund vergrößert sich, und die Wut, nicht die Kontrolle über meinen Avatar, lässt mich bestialisch aussehen, als ich dieses Nichts anschreie, das vor seiner Fiktion kauert und nach Osten blickt. »Sieh mich an! Sieh mich an, du verdammter Feigling!«
Er sollte vor mir knien, weil es so richtig und angemessen wäre, auch wenn ich ein im Käfig gefangener Gott bin. Er sollte nicht vor irgendeiner Fiktion im Osten niederknien.
Ich sage ihm, was ich ihm antun werde, ihm und allen, die ihm etwas bedeuten. Die Leute sagen, dass die Details solcher Beschreibungen einfach nur Pornografie sind, aber ich weiß, dass sie Bilder in seinem Kopf entstehen lassen und er sehen wird, wie ich Gräueltaten an den Menschen begehe, die er liebt. Er glaubt, er würde jetzt beten. Doch wir beide wissen, dass er sich vor mir versteckt, dass er zu große Angst hat, mir in die Augen zu blicken. Jetzt etwas runterfahren. Sag es flüsternd, was viel wirksamer ist als das Geschrei.
Ich beobachte entsetzt, wie mein linker Arm zu Quecksilber wird und von den Fingern bis zur Schulter zu Boden tropft. Dann kommt das Feuer. Dann schreie ich wirklich, als die Todesqualen jedes Molekül meines Körpers durchdringen.
Furcht, Entsetzen, Fassungslosigkeit. So etwas kann unmöglich mit mir geschehen! Ich werde reduziert. So etwas kann grundsätzlich nicht geschehen. Nur ich habe hier die Macht. Nur ich. Ich muss jemanden warnen …
Eine neue Phase des Schmerzes beginnt für mich. Ich dachte, ich hätte geschrien. Ich hatte nicht geschrien.
So muss es sein, wenn man geboren wird. Licht und Schmerz – Qual, um genauer zu sein –, nur dass ich mich vor dem Licht zurückziehen möchte. In die Dunkelheit zurückkriechen, damit sie mich vergessen, während ich von den Erinnerungen an alles, was ich gesagt und getan habe, bestürmt werde.
»Jakob?« Es ist eine freundliche Stimme voller aufrichtiger Besorgnis. Das macht es nur noch schlimmer. Ich habe es nicht verdient.
Ich versuche mich in den hintersten Winkel des sonnendurchfluteten Raums zu flüchten. Salem greift nach mir. Ich zucke vor ihm zurück.
»Du bist frei. Der Ifrit ist fort.« Beruhigend. Er bemerkt nicht, dass ich es bin, immer noch ich.
Die Tür zum Raum öffnet sich. Die Schwarze Annis. Nenne sie nicht Morag. Der Heide ist bei ihr. In dieser Umgebung wirken sie deplatziert. Morag – nein, die Schwarze Annis – steht wie das Jüngste Gericht im Türrahmen.
Sie kommen auf mich zu. Die Schwarze Annis blickt zu Salem, der ihr zunickt. Das Gesicht des alten Mannes
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