Krieg im Himmel
erwidern. Ich dachte, dass wir unsere Erwartungen zu hoch gesteckt hatten.
Sie wandte sich zum Gehen, warf mir aber noch einen letzten Blick über die Schulter zu. »Geh zu Mudge«, sagte sie. »Er ist sehr verletzt.«
Ich wartete, bis Merle unter der Dusche war. Dann klaute ich seine Void Eagle, die Ersatzmunition und das Holster. Außerdem nahm ich sämtlichen Alkohol mit, den er hatte.
Als ich Mudge fand, war er allein und summte in einer kleinen Höhle vor sich hin. Es war dunkel. Die einzige Beleuchtung war die Glut seines Joints. Ich betrachtete ihn in den grünen Farben meiner Nachtsicht. Er schien mich gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Wahrscheinlich hörte er über sein internes System Musik. Ich wollte mir demnächst mal ansehen, ob er etwas hatte, das ich kopieren konnte, vielleicht mehr von diesem Cash-Typen.
»Mudge?«, rief ich.
Es gab eine Schrecksekunde, in der er nach seiner Sig griff, bis er bemerkte, dass ich es war.
»Was?«, fragte er misstrauisch und blickte sich in der Höhle um, als hätte er sie eben erst entdeckt.
»Willst du mit mir über deine Gefühle sprechen?«
Er starrte mich entsetzt an. »Nein, wirklich nicht.«
»Das erleichtert mich sehr. Ich habe eine Flasche Brandy gefunden.«
Schlagartig besserte sich seine Laune. »Cool! Moment mal, ist die nicht von Merle?«
Ich grinste nur.
»Ich kam mir einfach nur ziemlich blöd vor, weißt du. Ich bin zu tief und zu schnell abgestürzt, und ich hatte auf den bösen Jungen gesetzt, den coolen Typen, vor dem meine Mutter mich immer gewarnt hat. Was für ein beschissenes Klischee.«
Inzwischen waren wir beide ziemlich knülle von Merles Brandy und dem Zeug, das die Kiwis selbst gebrannt hatten. Morag hatte recht: Mudge war verletzt, aber er kam damit klar.
»Merle ist nicht cool, er ist ein Idiot.«
»Er ist cool. Du bist nur eifersüchtig auf ihn, weil er härter ist als du.« Wer war das nicht? »Aber mal im Ernst: Wirst du irgendwann wieder mal einen Kampf gewinnen?«
»Ich habe jede Menge Wettkämpfe gewonnen! Und in den Highlands habe ich drei Kerle fertiggemacht.«
»Ja, ja, du hast immer dann gewonnen, wenn dummerweise niemand in der Nähe war.«
»Verdammt, du musst nicht mit ihm Schluss machen, nur weil er mich verraten hat und du ihm eine Waffe an den Kopf gehalten hast«, versuchte ich das Thema zu wechseln. Damit wollte ich zum Ausdruck bringen: Ich will doch nur, dass mein Kumpel glücklich ist. »Ich meine, Morag hat auf mich geschossen und versucht, mich umzubringen.«
Mudge sah mich verwirrt an. »Wenn sie auf dich schießt, ist das ein Versuch, dich umzubringen«, gab er zu bedenken, was ich mit einem weisen Nicken bestätigte. »Aber eine solche Beziehung will ich eigentlich nicht haben«, fuhr er fort.
Wieder nickte ich. Im Prinzip sah ich das genauso.
»Seid ihr beiden wieder zusammen?«, fragte er.
»Wenn ich das wüsste«, sagte ich trübsinnig und nahm einen weiteren Schluck vom Selbstgebrannten. Allmählich gewöhnte ich mich an den Geschmack.
»Wie geht es dir?«, hakte Mudge nach.
Ich zuckte mit den Schultern. »Mit Alkohol, Drogen und Verdrängung werde ich es überleben. Mich auf den bevorstehenden Job konzentrieren und deswegen in den nächsten Jahren Alpträume haben. Das Übliche.«
»Aber in Wirklichkeit war es gar nicht das Übliche, nicht wahr?«
»Nein, das war es wirklich nicht. Erst sehe ich sie sterben, dann lebt sie wieder. Es fühlt sich fast wie eine Vorahnung an, als Rolleston ihr zwei Kugeln in den Kopf gejagt hat. Ich glaube, das könnte ich nicht noch einmal ertragen.«
»Dann trenn dich von ihr. Sie wird es nicht tun. Im Moment veranstaltet sie eine gewaltige Überkompensierung für irgendetwas. Sie klingt wie eine Fanatikerin.«
»Sie wollte nichts gegen Rannus Besessenheit tun«, sagte ich kopfschüttelnd. »Das verstehe ich gar nicht – das sieht ihr einfach nicht ähnlich. Was ist, wenn ich alles noch schlimmer gemacht habe? Wenn ich sie zu sehr verletzt habe?«
»Jetzt kommt wieder dein Märtyrerkomplex zum Tragen. Nicht alles ist deine Schuld. Es passieren auch noch andere schlimme Dinge.«
Ich reichte den Schnaps an Mudge weiter.
Er nahm einen langen Schluck aus der Flasche. »Ööööh! Das Zeug ist grässlich«, sagte er und nahm noch einen Schluck.
»Womit ich nicht klarkomme, ist das, was ich gesagt habe, als ich besessen war. Ich meine, das war nicht ich. Daran besteht kein Zweifel. Ich erinnere mich, dass ich diese Sachen gesagt und auch so gemeint
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