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Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Titel: Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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von Präsident Ben Ali, in der er extrem verunsichert wirkte, war in den westlichen Medien von der »Jasmin-Revolution« die Rede.
    Die Berichterstattung von Al-Dschasira über Tunesien bewegte die Blogger und Facebook-Aktivisten in Ägypten, von einer Revolution im eigenen Land zu träumen. Zehn Tage nach dem Sturz Ben Alis gingen auch die Ägypter auf die Straße. Das Motto der ägyptischen Revolution, »Brot, Freiheit, Menschenwürde«, wurde bereits am ersten Tag um den Slogan »Das Volk will das Regime stürzen« ergänzt. Diese Parole hatten die Ägypter von den Tunesiern übernommen. Sie machte nur deshalb die Runde, weil ein tunesischer Demonstrant ein Video von einer Demonstration aufgenommen und auf Facebook gepostet hatte, das Al-Dschasira später in die arabische Welt ausstrahlte.
    Die ägyptische Revolution ist quasi die erste Revolution der Geschichte, die von der ersten Minute an live übertragen wurde. 18 Tage lang waren die Geschehnisse auf dem Tahrir-Platz die Hauptnachricht in allen arabischen und westlichen Nachrichtensendern und das zentrale Thema der Feuilletons. Doch die Lesart der Ereignisse und die Analyse variierten – nicht nur zwischen den westlichen und arabischen Medien. Die ägyptischen Staatsmedien berichteten von wenigen tausend Demonstranten, die von ausländischen Sponsoren angestiftet worden seien, die Stabilität Ägyptens zu gefährden. Die staatlichen ägyptischen Medien konnten sich aber nicht einigen, ob es sich dabei um amerikanische, israelische oder iranische Agenten handelte, die den Demonstranten zur Seite standen. Zum einen riefen die Staatssender die Bürger dazu auf, jeden Ausländer auf dem oder um den Tahrir-Platz festzunehmen und der Armee zu übergeben. Gleichzeitig beklagten sie sich aber darüber, dass die Demonstrationen die Touristen davon abhielten, nach Ägypten zu kommen, was fatale Konsequenzen für die ägyptische Wirtschaft haben könnte. Um die Glaubwürdigkeit der Demonstranten in der Bevölkerung zu beschädigen, veröffentlichte ein Fernsehsender ein Interview mit einer Frau, die angeblich Mitglied der Oppositionsgruppe »Jugend des 6. April« war. Sie berichtete davon, dass sie mit einigen Mitgliedern der Bewegung in Amerika durch jüdische Ausbilder finanziert, unterrichtet und auf die Demonstrationen vorbereitet worden seien. Aber die Frau, die ihr Gesicht nicht zeigen wollte, habe nun ein schlechtes Gewissen bekommen und mache sich Sorgen um ihr Land, denn diese Demonstranten führten Ägypten ins Chaos. Später stellte sich heraus, dass es sich bei der Aktivistin lediglich um eine schlecht ausgebildete Mitarbeiterin des staatlichen Fernsehens handelte.
    Ein paar Tage danach erklärte der gleiche Sender das Ende der »Unruhen«. Einmal kehrte ich vom Tahrir-Platz, wo sich gerade Hunderttausende versammelt hatten, in mein Hotel zurück und hörte im ägyptischen Fernsehen, dass Kairo zur Normalität zurückkehre. Man zeigte dabei ein angebliches Livebild von einer Brücke, auf der weder Menschen noch Autos zu sehen waren. Ich schüttelte den Kopf und dachte, dass ich selbst in Zeiten der Normalität in Kairo nie eine leere Brücke um zehn Uhr abends gesehen habe. Ähnlich verhielten sich die staatlichen Medien in Libyen, Jemen und Syrien. Die Warnung vor Al-Qaida, vor israelischer und vor amerikanischer Manipulation sowie die Diffamierung der Aufständischen und die Infragestellung ihrer Motive dominierten die Berichterstattung. In jedem Land suchte das Regime die Unterstützung beliebter Schauspieler und Fußballer, um die Straße zu beruhigen. Diese vergossen auch brav Tränen über die chaotischen Zustände und baten die Menschen, wieder nach Hause zu gehen.
    Da Mubarak gute Beziehungen zum saudischen Königshaus pflegte, versuchte der saudische Sender Al-Arabiya zwar, unter dem Vorwand der Professionalität und Neutralität, die ägyptische Revolution nicht zu verschweigen, aber doch die Dimension herunterzuspielen. Auch hier konzentrierte man sich auf die Angst vor Chaos und Gewalt und die Darstellung der Reformangebote Mubaraks. Der Sender wurde in den heißen Tagen im Januar und Februar 2011 eine zusätzliche Propagandaplattform für das herrschende Regime. Der Administrator der Seite »Khalid Said«, Wael Ghoneim, kritisierte Al-Arabiya für seine Berichterstattung über die Revolution als tendenziös, irreführend und unprofessionell.
    Anders verhielt sich Al-Dschasira. Aber das war nicht anders zu erwarten. Seit Jahren ist die Beziehung

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