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Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Titel: Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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zwischen Mubarak und dem Emir von Katar angespannt. Mubarak gefiel nicht, dass der Emir des kleinen Landes immer versuchte, eine Führungsrolle in der arabischen Welt zu übernehmen. Nach dem Gaza-Krieg Ende 2008 wollte der Emir den Gipfel der Arabischen Liga einberufen, um über eine gemeinsame Linie der Araber zu beraten. Mubarak hielt das Treffen für überflüssig und sagte seine Teilnahme ab. Stattdessen kündigte er sein Erscheinen bei einem kleinen Treffen der arabischen Führer in Kuwait an. Andere arabische Führer, die ebenfalls sowohl zum Emir als auch zu Al-Dschasira ein gespanntes Verhältnis hatten, folgten Mubarak, und der Gipfel von Doha wurde wenig beachtet. Der Emir war in seiner Ehre gekränkt. Einige Wochen später startete auf Al-Dschasira eine große Kampagne über die Korruption von Mubaraks Regime, über das große Vermögen des ägyptischen Präsidenten und über seine Pläne, die Macht an seinen Sohn weiterzugeben.
    Als die Demonstrationen in Ägypten Ende Januar begannen, benutzte Al-Dschasira als erster Sender den Begriff »Revolution«. Er ließ fast ausschließlich Anhänger der Revolte zu Wort kommen und bediente sich einer sehr emotionalen Sprache. Die wiederholte Ausstrahlung bestimmter Bilder und Szenen durch Al-Dschasira schuf Ikonen des Widerstandes, wie jenen ägyptischen Demonstranten, der sich mutig vor ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei stellte und damit an die legendären Szenen in Ungarn 1956, Prag 1968 und an den chinesischen Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens während der Studentenrevolte 1989 erinnerte.
    Sogar Kampflieder, welche die Ägypter zum Rebellieren animieren sollten, wurden regelmäßig auf Al-Dschasira gesendet. Am 28. Januar verordnete das Regime Mubaraks die Schließung des Büros von Al-Dschasira in Kairo. Der Sender war von da an auch nicht mehr über den ägyptischen Nile-Satelliten zu empfangen. Nach zwei Tagen Pause kehrte Al-Dschasira jedoch auf anderen Frequenzen mit brutalen Bildern zurück, die zeigten, wie die Polizei mit Demonstranten umging. Dies heizte die Stimmung erneut auf. Besonders auffällig war die Überbewertung der Rolle der Muslimbrüder in der Revolution durch Al-Dschasira. Fast zu jeder Sendung war ein Gast aus ihren Reihen geladen, der versuchte, ohne dass ihm der Moderator widersprach, die Revolution direkt oder indirekt als eine lang geplante Aktion der Muslimbrüder zu interpretieren.
    Die westliche Berichterstattung über die arabische Revolution war unterschiedlich. CNN , CBS , BBC und France24, die die Ereignisse in Tunesien verschlafen hatten, umarmten die Revolution in Ägypten von Anfang an. Die Korrespondenten dieser Sender waren jeden Tag auf dem Tahrir-Platz zu sehen, sie verschmolzen beinahe mit den Demonstranten. Besonders nach der »Schlacht des Kamels« stellten sich einige dieser Sender deutlich auf die Seite der Freiheitsbewegung. Während die »Bild«-Zeitung den Angriff auf Demonstranten mit der Schlagzeile »Jetzt gehen die Ägypter aufeinander los« kommentierte und deutsche Nachrichtensender ihre Bedenken über das Umschlagen der Revolution in Gewalt und bürgerkriegsähnliche Zustände kundtaten, gab der CNN -Korrespondent Anderson Cooper seine Neutralität auf, zeigte sich verärgert über das Vorgehen der Anhänger Mubaraks und warf der ägyptischen Regierung Lügen vor. Nach dem Sturz Mubaraks bedankten sich ägyptische Aktivisten bei den Korrespondenten von Al-Dschasira, CNN , BBC , CBC und anderen für ihre Unterstützung mit einem YouTube-Video: »Danke, als Internet- und Telefonleitungen stilllagen, strahlten eure Bildschirme weiter aus!«
    Die westlichen Medien begingen aber den Fehler, jede weitere Revolte in der arabischen Welt, die der tunesischen wie der ägyptischen folgte, nach den gleichen Kriterien wie in Ägypten und Tunesien zu beurteilen: Die Revolution war für sie per se eine Demokratiebewegung, die Demonstranten waren die Guten und die Regimes und ihre Anhänger automatisch Verbrecher. Sie mystifizierten die Rolle von Bloggern und Twitterern und vernachlässigten die normalen Menschen, welche die Mehrzahl der Demonstranten ausmachten. Kaum war Mubarak aus dem Amt gejagt, hörte man in den westlichen Medien kaum etwas über die Entwicklungen in Ägypten. Die Medienmänner zogen zum nächsten Brennpunkt der arabischen Revolution, nach Libyen. Über die grausamen Zustände in Syrien hörte man zu dem Zeitpunkt nur gelegentlich etwas. Für den mühsamen und wenig

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