Krieg um den Mond (German Edition)

bestand, hatten sie am Nachmittag Zeit, sich in kleinen Gruppen mit eigenen Plänen zu beschäftigen. Die Aufgabenstellung war sehr allgemein gehalten: Auf irgendeine Art und Weise bei anderen Firmen, vorzugsweise aus den USA, die Sicherheitssysteme zu durchbrechen, Informationen abzugreifen, Daten zu manipulieren und ähnliches. Jede Gruppe durfte sich eigene Ziele aussuchen. Den ausgearbeiteten Plan mussten sie ihrem Lehrer präsentieren, der ihn dann entsprechend freigab. Es existierte nur ein Tabu: Das waren sensible Bereiche, in denen man möglicherweise Misstrauen erwecken würde. Die Arbeit dort war den erfahrenen Mitarbeitern vorbehalten, zu denen Hu jetzt gehörte.
    Ein bevorzugtes Ziel in der Spielgruppe war das Knacken der Verschlüsselung von Hollywood-Filmen gewesen. Der größte Reiz bestand darin, sie sich gemeinsam anzusehen, bevor die offizielle Vorstellung für die Öffentlichkeit begann. Gelegentlich stellten sie die Filme auch ins Internet. Der wirtschaftliche Schaden war zwar nicht all zu groß, aber auch kleine Schäden summierten sich.
    Andere beschäftigten sich mit dem Beschaffen von Schnittmustern für Designerkleidung oder einfach nur mit dem Knacken der Telefonlisten von prominenten Handybenutzern. Wann immer möglich, gab man die Ergebnisse zur Verwertung an befreundete Unternehmen weiter, die wiederum Hu‘s Institution unterstützten. Einer half dem anderen und in Hu‘s Umgebung fehlte es an nichts.
    Es gab keine festgelegte Dauer, wie lange jemand in einer Spielgruppe bleiben musste. Das lag ausschließlich am jeweiligen Erfolg. Sobald sich die Summe der erwirtschafteten Schäden auf 100 Millionen Dollar belief, wurde die gesamte Gruppe befördert und durfte in die mittleren Etagen umziehen.
    Er, der Tiger, hatte seine Gruppe in Rekordzeit durch die Spielgruppe geführt. Seinem Geschick war es zu verdanken, dass das neue Office-Paket von Microsoft nur drei Tage nach der Veröffentlichung bereits als Kopie auf den chinesischen Märkten zu kaufen war - für ganze fünf Dollar. Das hatte ihm ein besonderes Lob seines Lehrers und die umgehende Beförderung eingebracht.
     
    Hu ging sofort zum zentralen Einsatzraum durch. Bedeutende Einsätze mit größeren Gruppen wurden immer von hier aus durchgeführt. Im Raum verteilt waren mehrere doppelt besetzte PC-Arbeitsplätze mit ihrer jeweiligen speziellen Aufgabenstellung. Hu’s Platz war vorne am Leitstand. Er war für die Steuerung aller Einzelaufgaben zuständig.
    Kurz nach ihm betrat Meister Feng den Raum. Alle Anwesenden erhoben sich und verneigten sich zur Begrüßung in Richtung des Meisters. Was anderen gegenüber nur eine Form war - gegenüber Meister Feng war es ehrliche Hochachtung. Er war sehr erfahren und würde alles überwachen, denn heute durfte kein Fehler passieren. Die vergangenen Monate waren Übung und Vorbereitung gewesen. Jetzt war es ernst.
    In Begleitung von Meister Feng betrat Professor Cheng den Raum. Professor Cheng war Fachmann für Materialwirtschaft. Er hatte jahrelang in den USA studiert und war mit den dortigen Gegebenheiten bestens vertraut
    Alle Informationen, die die Scout-Gruppe besorgte, wurden an ihn geleitet und ausgewertet. Gemeinsam mit Meister Feng hatte er einen Plan entworfen, der heute umgesetzt werden sollte.
     
    Ein Gong läutete die Aktion ein. So war es Tradition.
    Hu war es, als ob der Klang alle Zellen seines Körpers in Schwingung versetzte und eine Woge zusätzliches Adrenalin aussandte.
    Als der letzte Schall verklungen war, setzte Hu den Startimpuls in Gang. Jetzt geschah, wovon er seit Wochen Tag und Nacht träumte und für das Viele hart gearbeitet hatten: Der Impuls raste um die Welt. Auf verschlungenen Wegen, die so ausgewählt waren, dass niemand ihn zurückverfolgen konnte.
    Das Sicherheits-Team hatte gute Arbeit geleistet. Die Firewall in dem kleinen, spezialisierten Stahlwerk an der Westküste der Vereinigten Staaten öffnete sich, als würden alte Bekannte an die Tür klopfen. Es war schon hilfreich, dass viele Unternehmen Hardware von Firmen einsetzten, die mit Hu‘s Institution zusammenarbeiteten. Globalisierung und Outsourcing brachten eine Menge Vorteile mit sich, fand Hu.
    Nun lag das Intranet des Unternehmens vor Hu‘s Gruppe wie ein offenes Buch. Zuerst loggte Hu sich in die Wissensdatenbank des Unternehmens ein. Die Passwörter und ihr Änderungsrhythmus waren schon vor einiger Zeit ausgespäht worden. Routiniert arbeitete Hu sich zu den wertvollsten