Krieg um den Mond (German Edition)
dass sie sich damit erst recht verdächtig machte. Also nahm sie es nur bei wirklich sensiblen Telefonaten.
Das jetzt war solch ein wirklich sensibles Telefonat. Sie wählte die Nummer von Oberst Pawlow. In seinem Büro wusste man sie sofort richtig einzuordnen. Ihre Bitte, eine Auskunft über einen ehemaligen NASA-Mitarbeiter namens Timothy Balton einzuholen, wurde ohne Widerspruch akzeptiert. Man würde sich selbstverständlich darum kümmern.
Der russische Geheimdienst besaß eine lange Liste mit Institutionen, die er systematisch beobachtete. Die NASA stand darauf weit oben. In einer Stunde sollte Anne eine verschlüsselte E-Mail in einem besonderen Postfach vorfinden, das Olaf ihr ebenfalls eingerichtet hatte.
Als Anne bewusst wurde, was sie getan hatte, wollte sich ihr Brötchen wieder auf den Weg aus dem Magen zurück machen. Sie, die friedliebende Wissenschaftlerin, die nur für ihre Forschung lebte, wandte sich an den FSB, um Erkundigungen über einen Kollegen einzuziehen. Und die dort in Russland taten das tatsächlich - ohne auch nur eine Frage zu stellen. Was war eigentlich passiert mit ihrem Leben? Plötzlich musste sie gesicherte Handys benutzen und bekam verschlüsselte E-Mails vom russischen Geheimdienst. Dieses kleine Teil auf dem Mond hatte ihr Leben gründlich durcheinander geworfen und manchmal wünschte sich Anne, sie hätte die Schraube nie entdeckt. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Wenig später hielt Anne einen Ausdruck der E-Mail in ihren Händen:
Timothy Balton, geboren am 3. April 1975 in Colorado Springs. Eltern Edward John und Mary Elisabeth Balton, gestorben 1989 bei einem Verkehrsunfall. Ehefrau Cathlyn, geboren 1977 in Witchita Falls, Tochter Linda, 2 Jahre.
Studium der Astrophysik an der Universität von Colorado in Boulder. Bis vor Kurzem Angestellter der NASA, Mitarbeit im Projekt Mond-Rover im Team von Gordon Forell. Wegen Differenzen im Team entlassen. Kurz darauf Fehlgeburt eines zweiten Kindes. Umzug nach Mannheim und Anstellung bei der ESA. Vorstrafen: keine. Alkohol- und Drogenprobleme: Keine. Gesamtbewertung: unauffällig. Keine verdeckte Identität zu erwarten.
Anne faltete das Blatt zusammen. Mit einem bohrenden schlechten Gewissen fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, so im Privatleben eines Kollegen herumzuschnüffeln. Sie wusste mehr über ihn als er wahrscheinlich zu erzählen bereit wäre. Konnte sie ihm jetzt noch unvoreingenommen begegnen?
Doch. Es war richtig! Ohne diese Auskunft könnte ich niemals offen mit ihm reden. Die Umstände, in die ich unfreiwillig hineingestürzt bin, sind nicht normal. Jetzt muss ich nur aufpassen, mich in einer neuen Begegnung nicht zu verraten.
Wie hätte Anne ihm ihr Wissen erklären sollen? Dass sie den FSB um Nachforschungen gebeten hatte, konnte sie unmöglich zugeben.
Fängt bei mir jetzt auch eine Art von Doppelleben an? Mit Geheimnistuerei und Schauspielerei?
Anne war fest entschlossen, solch ein zwiespältiges Leben zu vermeiden.
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31. Alabama, USA
5:30 Uhr. Unbarmherzig quengelte der Wecker auf dem Nachttisch. Chris Maple wälzte sich müde zur Seite, um das Licht anzuschalten.
„Bleib noch ein bisschen“, bettelte Sally verschlafen. „Musst du wirklich schon wieder weg?“
Chris und Sally waren erst seit 4 Monaten verheiratet und die Sehnsucht hatte noch nicht abgenommen.
„Einmal noch. Zum Abschied für heute.“
„Du weißt, dass das nicht geht. Ich muss mich beeilen.“
Chris wand sich aus Sallys Umarmung und setzte sich auf die Bettkante. Natürlich wusste Sally, dass Chris los musste. Schon als sie sich kennengelernt hatten, war klar, dass sie zukünftig wenig Zeit füreinander haben würden. Chris hatte einen hervorragenden Universitätsabschluss gemacht und eine gute Stelle bei einem bedeutenden Industrieunternehmen erhalten, das Raketenbauteile für die NASA herstellte. Die Anforderungen waren hoch und unbezahlte Mehrarbeit selbstverständlich. Chris arbeitete in der Qualitätssicherung. Dort herrschte ein besonderer Druck, weil die Standards für die NASA extrem hoch waren.
Sally hatte sich vorgenommen, eine gute Ehefrau zu sein. Natürlich wollte sie die Karriere ihres Mannes unterstützen. Nur war es etwas anderes, in der Theorie zu wissen, dass er viel arbeiten musste und wenig zu Hause war, oder es jeden Tag schmerzlich zu erfahren. Nicht selten schlief Chris noch während des Fernsehprogramms ein, ohne die Spitzenunterwäsche zu bemerken, die Sally extra für ihn
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