Krieg und Frieden
Einkäufe gemacht hatte, kehrte er sehr vergnügt zur Stadt zurück, trieb beständig den Kutscher an, um die Abendgesellschaft beim Gouverneur nicht zu versäumen. Es war nicht gesagt worden, daß getanzt werden solle, aber jedermann wußte, daß Katharina Petrowna Walzer und Ecossaise spielen werde, und deshalb rechneten alle darauf, daß getanzt werde, und kamen in Balltoilette. Die Stadt war belebter als sonst, infolge der Ankunft vieler reicher Familien aus Moskau, und die beste Gesellschaft der Stadt versammelte sich beim Gouverneur. Es waren viele Damen zugegen, Nikolai traf auch einige Bekannte aus Moskau, aber es fehlte an Herren, und es war niemand da, der als Rivale des wohlerzogenen Grafen Rostow, des Georgenritters, gelten konnte. Unter den Herren war auch ein gefangener Italiener, ein französischer Offizier, und Rostow fühlte, daß die Anwesenheit dieses Gefangenen seinen Glanz als russischer Held noch erhöhte, und deshalb benahm er sich gegen diesen Offizier mit besonderer Würde.
Sobald Nikolai in seiner Husarenuniform, welche Wohlgerüche verbreitete, in den Saal trat, richteten sich alle Blicke auf ihn, und er bemerkte sofort, daß er die angenehme, jetzt aber nach langen Entbehrungen berauschende Stellung eines allgemeinen Lieblings einnahm. Damen und Fräulein kokettierten mit ihm, und ältere Persönlichkeiten dachten schon vom ersten Tag daran, wie man diesen flatterhaften Husaren verheiraten und zu einem gesetzten Leben bekehren könne. Zu diesen letzteren Persönlichkeiten gehörte auch die Gouverneurin selbst, welche Rostow als Neffen aufnahm und einfach mit Nikolai und »du« anredete.
Katharina Petrowna spielte wirklich Tänze, und der Tanz begann, bei welchem Nikolai durch sein gewandtes Benehmen die ganze Gesellschaft noch mehr einnahm. Alle waren erstaunt über sein ungezwungenes Wesen beim Tanze. Nie zuvor hatte er in Moskau so getanzt und würde das sogar für schlechten Ton gehalten haben, hier aber fühlte er die Notwendigkeit, alle durch etwas Ungewöhnliches in Verwunderung zu setzen.
Während des ganzen Abends widmete er seine Aufmerksamkeit am meisten einer taubenäugigen, vollen, hübsch aussehenden Blondine, der Frau eines Beamten, mit jener naiven Überzeugung junger Leute, daß fremde Frauen für sie geschaffen seien. Ihr Mann schien aber diese Überzeugung nicht zu teilen und zeigte Rostow eine finstere Miene. Nikolais gutmütige Naivität war jedoch so grenzenlos, daß auch der Mann zuweilen sich der heiteren Stimmung Nikolais hingab.
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Nikolai saß neben der Blondine und sagte ihr mythologische Komplimente. Er erzählte ihr, er beabsichtige hier in Woronesch eine Dame zu entführen.
»Was für eine Dame?«
»Eine entzückende, göttliche! Ihre Augen sind« – Nikolai betrachtete die Dame – »blau, ihr Mund wie Korallen, ihre Hautfarbe –« er blickte nach ihren Schultern – »und ihre Gestalt sind die der Diana.«
Der Mann näherte sich und fragte die Frau mürrisch, wovon sie sprechen.
»Ach, Nikita Iwanitsch!« rief Nikolai, indem er höflich aufstand, und erzählte auch dem Manne von seiner Absicht, eine blonde Dame zu entführen. Ihr Mann lächelte finster, die Frau aber heiter. Die gutmütige Gouverneurin näherte sich der Gruppe.
»Anna Ignatjewna will dich sehen, Nikolai.«
»Wer ist das, Tantchen?«
»Anna Malwinzew, sie hat durch ihre Nichte von dir gehört, die du gerettet hast. Errätst du nun?«
»Wer weiß, wen ich gerettet habe«, erwiderte Nikolai.
»Ihre Nichte, die Fürstin Bolkonsky! Sie ist hier in Woronesch bei ihrer Tante. Oho, wie er errötet!«
Die Gouverneurin führte ihn zu einer hochgewachsenen, sehr dicken, alten Dame, welche eben ihre Kartenpartie mit den Größen der Stadt beendet hatte. Das war eine Tante der Fürstin Marie mütterlicherseits, eine reiche, kinderlose Witwe, die beständig in Woronesch wohnte. Als Nikolai nahetrat, betrachtete sie ihn ziemlich hochmütig.
»Sehr erfreut, mein Lieber«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. Die Dame sprach von der Fürstin Marie, von ihrem verstorbenen Vater, dem sie wenig gewogen schien, und fragte nach dem Fürsten Andree, welcher augenscheinlich auch nicht ihre Gunst besaß. Dann entließ sie ihn mit der Einladung, sie zu besuchen.
Nikolai versprach das errötend. Bei dem Gedanken an die Fürstin Marie empfand Rostow ein ihm unerklärliches Gefühl der Befangenheit. Rostow wollte in den Tanzsaal zurückkehren, aber die kleine Gouverneurin führte ihn in ein
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