Krieg und Frieden
Fürsten Andree gekannt hatte. Ein heller, fragender Glanz schimmerte in ihren Augen, auf ihrem Gesicht lag ein freudiger, seltsam mutwilliger Ausdruck. Peter speiste und wäre den ganzen Abend sitzengeblieben, aber Fürstin Marie fuhr zur Messe.
Am anderen Tage kam Peter frühzeitig, speiste und verbrachte den ganzen Abend bei ihnen. Obgleich Marie und Natalie augenscheinlich erfreut darüber waren, und obgleich das ganze Lebensinteresse Peters sich jetzt in diesem Hause konzentrierte, hatten sie sich doch gegen Abend ganz ausgesprochen, und oft brach das Gespräch ab. Marie und Natalie lächelten und schienen seinen Aufbruch zu erwarten. Peter bemerkte dies, konnte aber doch nicht gehen. Er fühlte sich gedrückt, blieb aber doch sitzen, weil er nicht vermochte, sich zu erheben und zu gehen.
Die Fürstin Marie, die kein Ende absah, stand zuerst auf, klagte über Migräne und verabschiedete sich. »Sie reisen also morgen nach Petersburg?« fragte sie.
»O nein«, erwiderte Peter verwundert und wie beleidigt. »Nach Petersburg? Nun ja, morgen, aber ich nehme noch nicht Abschied. Ich werde kommen und nach Ihren Befehlen fragen«, sagte er, blieb vor der Fürstin stehen und ging doch nicht.
Natalie reichte ihm die Hand und verließ das Zimmer. Anstatt zu gehen, ließ sich Marie in einen Lehnstuhl nieder und sah Peter mit ihren traurigen, tiefen Blicken ernst und aufmerksam an. Ihre Ermüdung war jetzt ganz verschwunden; sie seufzte schwer, als ob sie sich auf ein langes Gespräch vorbereitete. Alle Verwirrung war von Peter gewichen, nachdem sich Natalie entfernt hatte. Mit aufgeregter Lebhaftigkeit rückte er seinen Stuhl nahe zu Marie.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen, Fürstin«, sagte er als Antwort auf ihren Blick. »Helfen Sie mir! Was soll ich tun? Kann ich hoffen, Fürstin? Hören Sie mich an! Ich weiß alles. Ich weiß, daß ich ihrer nicht würdig bin, ich weiß, daß es jetzt unmöglich ist, davon zu sprechen, aber ich möchte ihr Bruder sein, nein, nicht das... ich kann nicht...« Er stockte und fuhr mit der Hand über sein Gesicht. »Nun, sehen Sie«, fuhr er mit sichtlicher Anstrengung fort, »ich weiß nicht, seit wann ich sie liebe, aber in meinem ganzen Leben habe ich nur sie geliebt und kann mir ohne sie kein Leben vorstellen. Ich wage es jetzt nicht, sie um ihre Hand zu bitten, aber der Gedanke, daß sie vielleicht mein sein, und daß ich diese Möglichkeit verscherzen könnte... ist entsetzlich! Sagen Sie mir, kann ich hoffen? Was soll ich tun, teuerste Fürstin?« fragte er nach kurzem Schweigen und berührte ihren Arm, da sie nicht antwortete.
»Ich denke an das, was Sie mir gesagt haben«, erwiderte die Fürstin Marie. »Sie haben recht... daß ... jetzt von Liebe zu sprechen...«
Sie wollte sagen, es sei unmöglich, aber sie stockte, weil sie gesehen hatte, daß Natalie nicht dadurch beleidigt würde, wenn Peter ihr seine Liebe erklärte, und daß sie das sogar wünschte.
»Aber was soll ich tun?« fragte Peter.
»Überlassen Sie das mir, ich weiß ...«
»Nun, nun?« mahnte er.
»Ich weiß, daß sie Sie liebt ... lieben wird«, verbesserte sich die Fürstin. Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als Peter aufsprang und mit erschrockener Miene ihre Hand erfaßte. »Warum glauben Sie das? Sie glauben, ich könnte hoffen?«
»Ja«, erwiderte die Fürstin Marie lachend. »Schreiben Sie an die Eltern und vertrauen Sie mir! Ich werde es ihr sagen, sobald es angeht. Ich wünsche das, und ich fühle voraus, daß es so kommen wird.«
»Nein, das kann nicht sein! Wie glücklich bin ich! Aber es kann nicht sein... Wie glücklich ich bin! Nein, es kann nicht sein!« sagte Peter und küßte die Hand der Fürstin Marie.
»Reisen Sie nach Petersburg, das ist besser. Ich werde Ihnen schreiben.«
»Nach Petersburg? Gut, ich werde reisen. Aber morgen kann ich zu Ihnen kommen?«
Am andern Tag kam Peter, um sich zu verabschieden. Natalie war weniger lebhaft als an den vorhergehenden Tagen. Peter fühlte, wenn er ihr in die Augen sah, daß er verschwand, daß er und sie nicht mehr existierten, sondern nur ein einziges Gefühl des Glückes. Als er beim Abschied ihre feine, dünne Hand ergriff, hielt er sie unwillkürlich etwas länger in der seinigen.
»Soll wirklich diese Hand, dieses Gesicht, diese Augen, dieser ganze Schatz weiblicher Schönheit, das alles ewig mein sein, wie ich mir selbst gehöre? Nein, es ist unmöglich!«
»Leben Sie wohl, Graf!« sagte sie laut, »ich werde Sie sehr
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