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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Psychologe, stellte sich in seinem Buch Das unbeschriebene Blatt 2002 ziemlich unverblümt auf den Standpunkt, dass Hobbes recht hatte und Rousseau unrecht. In seinem jüngsten Werk Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit macht er allerdings einen kleinen Rückzieher und verwässert die These vom Leviathan. Die Geschichte des Rückgangs der Gewalt, so seine Argumentation, sei nicht alleine die Geschichte Leviathans; sie berichte vielmehr über »sechs Trends, fünf innere Dämonen, vier bessere Engel und fünf historische Kräfte«. 13 Um sie richtig zu verstehen, so Pinker, müssten wir die Geschichte in mehrere Phasen aufteilen – in einen Zivilisationsprozess, eine humanitäre Revolution, einen langen Frieden und einen neuen Frieden – und erkennen, dass jede ihre eigenen Ursachen hat, von denen einige über Jahrtausende zurückgehen, während andere erst seit 1945 (oder gar 1989) am Wirken sind.
    Noch weiter geht Goldstein, der Politologe. Zu den wesentlichen Veränderungen, so meint er, sei es durch die Bank nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen, und um sie zu verstehen, müssten wir Hobbes gar noch überholen. Der größte Schlag gegen die Gewalt, so Goldstein, sei nämlich nicht das Erstarken des Staats gewesen (wie Hobbes postuliert hatte), sondern das Aufkommen des Überstaats in der Form der Vereinten Nationen.
    Ganz offensichtlich sind die Fachleute sich also ganz und gar nicht einig über die Rolle von Krieg und Staat dabei, die Welt sicherer und reicher zu machen. Ein solches Maß an Uneinigkeit bedeutet meiner Erfahrung nach für gewöhnlich, dass wir die Frage falsch angegangen sind, was grundsätzlich zu bruchstückhaften und widersprüchlichen Antworten führt. Wir brauchen eine andere Perspektive.
War Pig
    In gewisser Hinsicht bin ich der Letzte, von dem eine neue Perspektive über den Krieg zu erwarten ist. Von meinem »Zusammenstoß« mit Petrow mal abgesehen, habe ich weder im Krieg gekämpft noch ein derartiges Blutvergießen aus der Nähe gesehen. Am nächsten kam ich derlei 2001 in Tel Aviv, als ein Selbstmordattentäter einige hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt sich in einer Diskothek in die Luft sprengte und dabei 21 junge Leute verstümmelte. Ich meine die Explosion gehört zu haben, obwohl ich mir nicht sicher sein kann; ich saß in der Hotelbar, in der Teenager mit etwas mehr Glück als ihre Altersgenossen ihren Highschool-Abschluss feierten. Ich habe aber die Sirenen der Krankenwagen gehört.
    Ebenso wenig komme ich aus einer Familie, die sich beim Militär ausgezeichnet hätte. Meine Eltern, beide 1929 in England geboren, waren zu jung für den Zweiten Weltkrieg, und als Bergarbeiter musste mein Vater auchnicht nach Korea. Die Grube hatte kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs seinen eigenen Vater das Leben gekostet, während der Vater meiner Mutter als Stahlarbeiter nicht für das Schlachtfeld in Frage kam. (Außerdem war er Kommunist – ein Problem, das sich jedoch mit dem Einfall der Deutschen in die Sowjetunion praktisch gab.) Onkel Fred, eigentlich ein Onkel meiner Mutter, diente mit Montgomery in Nordafrika, musste aber nicht ein einziges Mal schießen, noch hat er auch nur einen Deutschen gesehen. Seinen Erzählungen nach hieß Krieg, in einen Laster zu springen und in der Wüste hinter einem unsichtbaren Feind herzujagen, bevor man sich im nächsten Laster vom Feind zum Ausgangspunkt zurückjagen ließ. Gefährlich sei es nur einmal geworden, sagte er gern, als er in einem Sandsturm seine falschen Zähne verlor.
    Statt meinem Land zu dienen, vergeudete ich meine Jugend in Rockbands; ich wäre zu gerne die britische Version von Bruce Springsteen geworden. Zugegeben, ich war etwas weniger auf dem Peace & Love-Trip als viele andere Teenager in den 1970er Jahren, aber meine unklaren Instinkte hielten es im Großen und Ganzen mit War! . Es überrascht denn auch nicht weiter, dass der erste Gitarrenpart, den ich je beherrschte, der donnernde Riff von Black Sabbaths ausladendem War Pigs mit dem unsterblichen klobigen Reimpaar am Anfang war:

    Generals gathered in their masses
    Just like witches at black masses. 14
    Nachdem ich einige kurzweilige, aber nicht eben lukrative Jahre Songs heruntergehauen hatte, die sich verdächtig nach War Pigs anhörten, musste ich feststellen, dass mir die Rolle des Historikers und Archäologen mehr lag als die des Heavy-Metal-Gitarristen.
    Die Väter der Geschichtsschreibung, Herodot und Thukydides im vorchristlichen Griechenland und

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