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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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dafür, dass wir allein übriggeblieben sind und dass wir es seit der kältesten Phase der letzten Eiszeit vor 20   000 Jahren bereits waren.
    Das war erst der Anfang der Verwandlung des Planeten durch die Kultur. In Kapitel 2 habe ich ein oder zwei Seiten lang über das Ende der Eiszeit um ungefähr 9600 v.   Chr. berichtet, als Pflanzen sich wie verrückt zu vermehren begannen und Tiere – darunter auch Menschen – sie und einander fraßen und sich ebenfalls ungezügelt vermehrten. Für alle Tiere mit Ausnahme des Menschen hielten die guten Zeiten nur ein paar Generationen an, so lange, bis ihre eigenen Artgenossen selbst für die üppigen Nahrungsvorräte zu zahlreich geworden waren, und der Hunger kehrte zurück. Die Menschen in den Glücklichen Breiten hingegen waren in der Lage zu reagieren, ihre kulturelle Evolution brachte sie dazu, Pflanzen und Tiere zu domestizieren, um ihre Nahrungsvorräte zu vergrößern.
    Wie wir gesehen haben, erschwerten die neuen, dicht bevölkerten Agrarlandschaften den Verlierern im Spiel des Todes das Davonlaufen, Territorialität führte zum Caging. Doch während das Territorialverhalten Ameisen und Menschenaffen dazu brachte, auf Leben und Tod zu kämpfen, hatte der Sozialkäfig auf uns Menschen komplexere Auswirkungen. Er brachte sogar eine neue evolutionär stabile Strategie hervor, der ich den Namen »produktiver Krieg« gegeben habe. Sie belohnte Töten bis zu dem Punkt, an dem Rivalen es aufgaben, Widerstand leisten zu wollen, darüber hinaus aber belohnte sie Menschen, die die Unterwerfungssignale ihrer geschlagenen Feinde akzeptierten, statt diese niederzumetzeln. Die kulturelle Evolution machte aus Killern Herrscher, die größere, sicherere und wohlhabendere Gemeinschaften regierten.
    Schimpansen nehmen einen Teil ihrer geschlagenen Feinde in ihre Gemeinschaft auf – so beispielsweise am Ende des Gombekriegs 1977 die Kasakela-Schimpansen die letzten überlebenden Kahama-Weibchen. Aber ihnen fehlen die geistigen Fähigkeiten für eine kumulative kulturelle Evolution. Sie schaffen keine Affenmetropolen, weil Schimpansengemeinschaften, die zu groß werden, auseinanderbrechen wie die Kohlenstofftröpfchen in den frühen Meeren der Erde. Genauso war es zur Kasakela- und zur Kahama-Gruppe gekommen. Als Jane Goodall 1960 ihre Forschungsstation am Gombe aufbaute, hatte es nur eine einzige Schimpansengemeinschaft gegeben, aber diese war gewachsen und Anfang der 1970er Jahre in zwei Gruppen zerfallen.
    Menschen hingegen können sich so organisieren, dass ein Leben in großen und komplexeren Gruppen möglich wird. In der zunehmend kompetitiven postglazialen Welt des ersten Caging-Prozesses in den GlücklichenBreiten konnten größere Gemeinschaften kleinere in der Regel ausstechen, aber große Gruppen zusammenzuhalten erforderte führende Köpfe, die grenzübergreifende Kooperation förderten, so dass die Gruppe in der Konkurrenz mit Außenseitern besser bestehen konnte.
    So kam es, dass Leviathane Teil der evolutionär stabilen Strategie des Menschen wurden. Wieder können wir einen schwachen Widerschein menschlichen Verhaltens bei Schimpansen beobachten, denn diese kämpfen weniger, wenn sie statt in Banden mit unklarer Hierarchie in Gruppen mit einem starken Alphamännchen leben. Und genau wie menschliche Führer, die sich zu stationären Banditen aufschwingen können, wenn dies ihren eigenen Interessen dient, können Alphamännchen in wirklich sicherer Position sich überraschend unparteiisch und Schwachen gegenüber sogar regelrecht altruistisch verhalten. Der Extremfall ist vielleicht Freddy, ein extrem gut etablierter Alpha-Schimpanse im westafrikanischen Taï-Nationalpark. Der Disneyfilm Schimpansen erzählt, wie er ein verwaistes Schimpansenbaby namens Oskar füttert und versorgt, obwohl ihn dies Zeit kostet, in der er normalerweise mit anderen erwachsenen Männchen die Grenzen seines Reviers bewacht hätte. Trotzdem, so erzählt es der Film, geht am Ende alles gut, Freddys Leute können einen Angriff der Nachbargemeinschaft abwehren, deren Chef – der schurkische Scar – es nicht fertigbringt, die wachsenden Zerwürfnisse unter seinen Anhängern in den Griff zu bekommen. *32
    Wie so viele große politische Führungspersönlichkeiten liefert auch Freddy ein Beispiel für Kooperation, das seiner Gruppe womöglich geholfen hat, besser gegen Rivalen konkurrieren zu können. Dennoch wird Freddy nicht den Grundstein für eine Dynastie legen, die die tödliche Gewalt im

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