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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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2012 nur einer von 20   000 New Yorkern eines gewaltsamen Todes – das ist vermutlich ein Allzeittief.
    Nun ist New York natürlich nicht die einzige Stadt in Amerika. In Chicago stieg die Zahl der Morde 2012 um ein Sechstel, im kalifornischen San Bernardino – wo mehr als die Hälfte aller Hausbesitzer mehr Schulden haben, als ihr Haus wert ist, und die Stadtverwaltung pleite ist – sogar um fünfzig Prozent. (»Schließen Sie Ihre Türen ab, und laden Sie Ihre Waffen«, empfahl der zuständige Bezirksstaatsanwalt. 1 ) Und als sich das Jahr dem Ende zuneigte, erschoss ein Psychopath in Newton, Connecticut, zwanzig Schulkinder, sechs Lehrer, seine eigene Mutter und sich selbst. Dennoch ist New York für unsere Zeit typischer als Newton, und trotz dieser albtraumhaften Ausnahmen waren die Opferzahlen bei Mord und Totschlag im Jahre 2012 landesweit gesunken.
    Tatsächlich ist New York nicht nur für die Vereinigten Staaten typisch, sondern auch für den größten Teil der übrigen Welt. Mord ist allgemein im Rückgang begriffen. Im Jahr 2004 wurde noch einer von 13   000 Menschen ermordet, bis zum Jahr 2010 war es nur noch einer von 14   500. Bei Kriegen ist Ähnliches zu verzeichnen. Ohne Frage wird noch immer gekämpft (im Jahre 2012 starb jeder 400. Syrer im Bürgerkrieg), aber Kriege zwischen Staaten – die im Regelfalle größten und blutigsten Konflikte – finden fast nicht mehr statt. Es gibt sogar Anzeichen dafür, dass auch Bürgerkriege seltener werden.
    Über die gesamte Erde gemittelt starb 2012 einer von 4375 Menschen durch Gewalteinwirkung. Mit anderen Worten: Nur noch 0,7 Prozent allerheute lebenden Menschen werden eines gewaltsamen Todes sterben. Im 20. Jahrhundert waren es ein bis zwei Prozent, zur Zeit der antiken Reiche zwei bis fünf Prozent, in Eurasien zu Zeiten der großen Völkerwanderungen fünf bis zehn Prozent und in der Steinzeit furchterregende zehn bis zwanzig Prozent. Die Welt nähert sich endlich dänischen Verhältnissen, und Dänemark selbst – wo 2009 nur einer von 111   000 Menschen ermordet wurde, was einem Lebenszeitrisiko, sein Leben durch Gewalt zu verlieren, von nur 0,027 Prozent entspricht – wird von Tag zu Tag dänischer. Das Beste aber ist, dass von je zwanzig jener Nuklearsprengköpfe, die die Welt 1986 fürchtete, als Bruce Springsteens Version von War! herauskam, nur noch einer existiert. Vor fünfzig Jahren stand das für Kernwaffen zuständige Strategic Air Command in der amerikanischen Luftwaffe an vorderster Front; heutzutage diskutieren die meisten Luftwaffenoffiziere offen das Ende der Kernwaffenära.
    Damit sind die guten Nachrichten aber noch nicht zu Ende. Wie so oft in den vergangenen paar tausend Jahren ging der Rückgang an Gewalttaten mit steigendem Wohlstand Hand in Hand. Als die Vereinigten Staaten 1989 die Rolle als Globocop übernahmen, erzeugte jeder Mensch im Durchschnitt Waren und Güter im Wert von etwas mehr als 5000 Dollar pro Kopf. *33 Im Jahre 2011, dem Jahr, aus dem die aktuellsten Zahlen vorliegen, hatte sich dies verdoppelt. Am meisten profitiert hat Asien, vor allem durch den Aufschwung in Chinas Küstenregionen und Teilen Südostasiens sowie einigen Regionen in Indien, die eine eigene industrielle Revolution durchlaufen haben. Diese stieß die größte Landflucht der Geschichte an und half mehr als zwei Milliarden Menschen aus absoluter Armut (von der Weltbank definiert als eine zum Leben verfügbare Summe von weniger als einem Dollar pro Tag). Lateinamerika, Afrika und Osteuropa fielen aufgrund von Schuldenkrise, Aids und postkommunistischen Verfallserscheinungen anfänglich zurück, haben jedoch alle seit 2000 Boden gutgemacht.
    All das zeigt, dass die Welt nicht nur im Begriff ist, sicherer und wohlhabender zu werden, sondern auch – mit abnehmendem Gefälle zwischen den Kontinenten – zunehmend gerechter wird. Und die Erklärung für diese guten Nachrichten lautet, wie ich das ganze Buch über betont habe, dassproduktive Kriege die Erde zu einem besseren Daseinsort gemacht haben. Das ist eine paradoxe, widersinnig anmutende, genaugenommen verstörende Vorstellung (die mir, wie ich in der Einleitung bereits erwähnt habe, auch erst in den Sinn gekommen ist, als ich angefangen habe, mich mit der Geschichte des Krieges im Verlauf der Menschheitsgeschichte zu befassen). Aber die Indizien aus Archäologie, Anthropologie, Geschichte und Evolutionsbiologie scheinen schlüssig zu sein.
    Vor 400 Millionen Jahren hat die Evolution

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