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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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seinen Bewohnern leichter als den Asiaten, die Neue Welt zu entdecken, auszubeuten und zu kolonialisieren. Die Europäer begannen ihren Fünfhundertjährigen Krieg gegen die Welt nicht, weil sie dynamischer (oder böser) waren als jeder andere, sondern weil ihre Geografie es ihnen leichter machte als jedem anderen.
    Der Fünfhundertjährige Krieg zwang die Europäer, den produktiven Krieg neu zu erfinden, weil die ungeheure Größe der Gesellschaften, die ihre Eroberungen hervorbrachten, die Spielregeln änderte. In einem Zeitalter der Kontinente überspannenden Reiche, so stellten sie fest, ließ sich der Wohlstand der Nationen nicht nur durch Plündern oder durch das Besteuern ihrer geknechteten Untertanen mehren, sondern viel besser dadurch, dass sie unter Einsatz ihrer Staatsgewalt so vielen Menschen wie möglich ein höchstmöglichstes Maß an Freiheit gaben, auf immer größeren Märkten Handel zu treiben.
    Ausgehend von Nordwesteuropa zwang unausgesetzter Konkurrenzdruck die Leviathane dazu, sich zugangsoffene Gesellschaftsordnungen zu eigen zu machen, die die unsichtbare Hand des Marktes und die unsichtbare Faust des Staates in Harmonie vereinten. Großbritannien schwang sich, nachdem es in den 1780er Jahren seine industrielle Revolution hinter sich gebracht hatte, zum ersten Globocop auf; seine Schiffe, sein Geld und seine Diplomaten unterhielten eine weltumspannende Ordnung. Aber obwohl die Gewalt zurückging und der Wohlstand nie gekannte Höhen erreichte, geriet der Weltpolizist an seinen Kulminationspunkt. Die Pax Britannica brachte so viele Rivalen hervor, dass er seine Aufgaben nicht mehr gerecht werden konnte. 1914 sorgte der bis dahin schlimmste Krieg der Menschheitsgeschichte für seinen Abgang – 75 Jahre später übernahmen die Vereinigten Staaten, die fortan an der Spitze einer noch größeren zugangsoffenen Ordnung mit noch geringeren Mord- und Totschlagraten und noch größerem Wohlstand standen.
    Es ist eine große Geschichte, die nur sichtbar wird, wenn wir die gesamte Menschheitsgeschichte auf dem gesamten Planeten ins Auge fassen und uns alle vier Blickwinkel (den persönlichen, den militärhistorischen, den technischen und den evolutionären) vornehmen, die ich in der Einleitung erwähnt habe. Das und nur das, denke ich, wird zeigen, wozu Krieg gut war – und um welchen Preis.
    Die Antwort auf die Frage: Wozu Krieg? ist paradox und schrecklich zugleich. Krieg hat die Menschheit sicherer und wohlhabender gemacht, aber nur um den Preis des Massenmords. Aber da er letztlich zu etwas gut war , kommen wir nicht umhin festzustellen, dass all das Elend und Sterben nicht vergeblich gewesen ist. Ließe man uns wählen, wie wir aus der mittellosen, gewalttätigen Steinzeit zu Frieden und Wohlstand unserer Tage kommen wollten, sähen sicher nur wenige von uns gerne Krieg als Mittel zum Ziel, aber die Evolution – nichts anderes ist die Menschheitsgeschichte – wird nicht von unseren Wünschen getrieben. Am Ende ist das Einzige, was zählt, die finstere Logik des Todesspiels.
    Wenn wir uns anschauen, wie diese Logik sich seit dem Ende der Eiszeit entfaltet hat, scheint auf der Hand zu liegen, wohin sie uns als Nächstes bringt. Aus den Jäger-und-Sammler-Trupps von damals sind zunächst Leviathane und später Weltpolizisten erwachsen, ganz sicher sollte der nächste Schritt in einer Weltregierung bestehen, die den Lohn für Gewalt gen null gehen lässt. Wir alle werden irgendwann dänische Verhältnisse genießen,und so wird dieses Buch trotz aller Schrecken auf den vergangenen Seiten doch ein Happyend haben – beinahe genauso glücklich wie das Ende von Norman Angells Werk Die große Täuschung , das ich in Kapitel 5 erwähnt habe. Als dessen Buch 1910 erschien, hatte es 95 Jahre hindurch keine nennenswerten Großmachtkriege gegeben, weltweit hatten sich die Vermögen verdoppelt, und in Europa hatte sich die Mordrate halbiert. Für Angell und seine Bewunderer hieß das nichts anderes, als dass eine Welt ohne Krieg zu guter Letzt in greifbare Nähe gerückt war.
    War sie nicht, aber Die große Täuschung ist trotzdem noch immer lesenswert, weil die Gründe dafür, dass Angell so katastrophal falsch lag, noch immer brennend aktuell sind. Wie wir in Kapitel 5 gelernt haben, war die Entwicklung des 19. Jahrhunderts in Richtung auf dänische Verhältnisse nicht nachhaltig. Je besser der Globocop seine Arbeit tat, desto mehr Rivalen handelte er sich ein, und je mehr Rivalen er sich einhandelte, desto

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