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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts produzieren, ist nicht zu leugnen, dass der Globocop ab sofort einen Rivalen hat.
    Die Vereinigten Staaten ließen China aus demselben Grund so groß werden, aus dem Großbritannien Deutschland und die Vereinigten Staaten Ende des 19. Jahrhunderts zu Industriemächten werden ließ: Es machte auch den Weltpolizisten reicher. Ja, Chinas Aufstieg war für die Vereinigten Staaten in finanzieller Hinsicht ein außerordentlich guter Deal. Weil die chinesischen Importe so billig waren, verzeichneten Amerikas Arbeiter trotz stagnierender Löhne eine Verbesserung ihres Lebensstandards, und weil China einen Großteil seiner Einkünfte als Kredit wieder zurück in dieUSA fließen ließ, indem es Schatzanleihen in Billionenhöhe kaufte, ging den Amerikanern nie das Geld aus, die chinesischen Importe zu kaufen. Als i-Tüpfelchen verursachten die billigen Waren aus China einen Deflationsdruck, der verhinderte, dass es durch die billigen chinesischen Kredite zu einer galoppierenden Inflation kam. Jeder hatte gewonnen.
    Die Beziehung zwischen dem Weltpolizisten und seinem asiatischen Freund waren so sehr von beiderseitigem Nutzen, dass der Historiker Niall Ferguson und der Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick dafür den Begriff »Chimerica« prägten – die Vermählung von China und Amerika. 17 Was den Namen so ungemein treffend macht, ist die Tatsache, dass Chimären Fabel- und Traumwesen sind – auch aus dem Traum Chimerica würde die Welt irgendwann erwachen. Die wirtschaftliche Entwicklung hat genau wie jede militärische Strategie ihren Kulminationspunkt, jenseits dessen, wie Clausewitz so treffend bemerkte, »der Umschwung, der Rückschlag« liegt. 18
    Schon im Jahr 2004 hatte sich die Waagschale zu senken begonnen, als die Zeitschrift Business Week verkündet hatte, dass »the China Price« für die US-Industrie zum meist gefürchteten Schlagwort geworden war 19 , und ganz unten war sie, als 2008 die ökonomische Logik wieder griff und westliche Anlageblasen platzten. Im April 2009 – die Sohle des Abgrunds war noch nicht in Sicht – trafen sich die führenden Köpfe der zwanzig weltweit größten Ökonomien in London, um nach einer Antwort zu suchen. Ihre größte Hoffnung war, wie einer ihrer britischen Gastgeber es formulierte, dass ein Scherz wahr würde, der bei den Teilnehmern der Konferenz die Runde machte: »Nach 1989 [der Niederschlagung des Aufstands auf dem Tian’anmen-Platz] hat der Kapitalismus China gerettet. Nach 2009 rettet China den Kapitalismus.« 20
    Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, heißt es. Chinas Anteil an der Rettung des Kapitalismus hatte »the China Price« nicht nur für Industrielle, sondern auch für amerikanische Diplomaten zum Schlagwort des Schreckens gemacht. China ist ein riesiger Stern am Finanzhimmel geworden, und seine ökonomische Schwerkraft zieht den gesamten Westpazifik in eine sinozentrische Umlaufbahn. Noch vor Ende 2009 hatten Südkorea, Japan und sogar Taiwan Peking in aller Öffentlichkeit sehr eindeutige Avancen gemacht. Wichtige Glieder in der Inselkette waren kurz davor nachzugeben.
    Die große Frage lautete, was das für den Globocop bedeuten würde.Nicht viel, erklärte Peking, das seit 2004 dazu übergegangen war, Chinas wachsenden Einfluss als »friedlichen Aufstieg« zu bezeichnen. 21 Die Volksrepublik, so versicherte es die Staats- und Parteiführung, sei dabei, dem amerikanischen Weltsystem beizutreten, wolle es keinesfalls herausfordern und werde dessen Regeln respektieren. Und nur für den Fall, dass bei dem Begriff »friedlicher Aufstieg« immer noch Alarmglocken schrillen sollten, zeichnete Peking sein Bild 2008 noch ein bisschen weicher und änderte das Label in »friedliche Entwicklung«. 22 Das, erklärten die Sprecher, sei Teil einer alten chinesischen Strategiekultur, die im Konfuzianismus wurzle. Statt Gewalt einzusetzen, um Konflikte zu lösen, habe China stets auf Tugend gesetzt und durch sein menschenfreundliches Vorbild gezeigt, dass Kooperation am Ende jedermann besser dastehen lasse.
    Die Amerikaner haben in Bezug auf ihre eigene Politik so manches Mal Ähnliches behauptet. Schon 1821 vertrat John Quincy Adams die Ansicht, die Vereinigten Staaten drückten der Welt durch ihr »freundlich-wohlwollendes Vorbild« ihren Stempel auf. 23 Doch ungeachtet dieser schönen Worte haben die Vereinigten Staaten immer wieder zu drastischen Mitteln gegriffen, und die gesamte Geschichte hindurch

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