Krieg – Wozu er gut ist
hat weitere vierzig Jahre allmählichen Niedergangs gedauert, in denen die britische Wirtschaft langsamer wuchs als die ihrer Rivalen, bevor jemand willens war, die Dinge an den Rand des Abgrunds zu lavieren. Und das, möchte ich sagen, ist die historische Analogie, die uns wirklich Kopfzerbrechen machen sollte. Wenn sich die vierzig Jahre zwischen 2010 und 2050 genauso entwickeln wie die zwischen 1870 und 1910, haben sie das Zeug dazu, die gefährlichsten Jahre der Weltgeschichte zu werden.
Es gibt sicher keine Garantie dafür, dass die Geschichte sich wiederholen wird. In den nächsten vierzig Jahren kann sich noch viel tun. Das chinesische Wachstum kommt vielleicht zum Stillstand – so wie das japanische in den 1990er Jahren. Oder die amerikanische Wirtschaft kommt wieder auf die Füße, neu belebt möglicherweise durch die anhaltende »Schieferrevolution«. Diese verspricht (oder droht – Umweltschützer prangern die üblen ökologischen Konsequenzen der neuen Fracking-Technologie an) große Mengen Öl und Gas aus ehemals unrentablen Quellen freizusetzen. Manche Ökonomen mutmaßen auch, dass eine »dritte industrielle Revolution« in der Nanotechnologie und bei den dreidimensionalen Druckverfahren die Produktivität Amerikas dramatisch steigern könnte. Die Vereinigten Staaten könnten dann ihre Kritiker wie schon so manches Mal in der Vergangenheit widerlegen. Viele Menschen hatten Amerika in den 1930er Jahren abgeschrieben, doch es kam zurück und besiegte in den 1940er Jahren die Nationalsozialisten. Andere schrieben es in den 1970er Jahren ab, und in den 1980er Jahren siegte es über die Sowjetunion. Wer kann schon sagen, ob die Vereinigten Staaten nicht diesen Vierzigjahreszyklus fortsetzen und sich von ihren gegenwärtigen wirtschaftlichen Problemen erholen, um 2020 die Chinesen abzuhängen?
Gegenwärtige Trends lassen solche sonnigen Prognosen allerdings um einiges zu optimistisch erscheinen. Chinas Wachstum wird sich vermutlich im Laufe der nächsten Jahrzehnte abschwächen, aber die meisten Ökonomen glauben, dass es trotz alledem ausgeprägter bleiben wird als die wirtschaftliche Expansion Amerikas. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die OECD, beispielsweise sieht eine Abschwächung des chinesischen Wachstums von 9,5 Prozent im Jahr 2013 auf vier Prozent im Jahr 2030 voraus, aber in keinem Jahr, so die Prognose weiter, wird die amerikanische Wirtschaft um mehr als 2,4 Prozent expandieren. Das Congressional Budget Office, die Haushaltsplanungsbehörde, ist in seinen Schätzungen noch düsterer und setzt die Obergrenze für das jährliche Wirtschaftswachstum Amerikas bei 2,25 Prozent an, manche Finanzanalysten prophezeien auf lange Sicht gar nur ein durchschnittliches Wachstum von einem bis 1,4 Prozent jährlich.
Die meisten Prognosen sehen Chinas Wirtschaft irgendwann zwischen 2017 und 2027 (vermutlich bereits 2019, mit Sicherheit aber 2022, sagt The Economist ) Amerika überholen. Den Wirtschaftsprüfern und -beratern von PricewaterhouseCoopers zufolge wird Chinas Bruttoinlandsprodukt in der 2050er Jahren fünfzig Prozent über dem der Vereinigten Staaten liegen, die Ökonomen der OECD sehen die Differenz eher bei siebzig Prozent. Und an diesem Punkt, da sind sich beide Expertenteams einig, wird auch Indiens Wirtschaft Amerikas ein-, wenn nicht gar überholen (Tabelle 7.1).
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Tabelle 7.1Die postamerikanische Welt?
Oben PricewaterhouseCoopers’ Schätzung des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten, Chinas und Indiens von 2011 bis 2050, darunter die Schätzungen der OECD von 2012 bis 2060 (jeweils kaufkraftparitätisch in Billionen Dollar)
Dass die amerikanische Militärdominanz dieser Tage so allumfassend ist, liegt nicht nur darin begründet, dass die Vereinigten Staaten eine größere Wirtschaft haben als China (ungefähr 15 Billionen gegenüber zwölf Billionen im Jahr 2012 in Kaufkraftstandards), sondern auch darin, dass sie einen größeren Teil davon in Kriegsvorbereitungen stecken (4,8 Prozent gegenüber 2,1 Prozent). Doch auch das ist dabei, sich zu ändern. Die chinesischen Militärausgaben haben sich zwischen 1991 und 2001 mehr als verdoppelt und im darauffolgenden Jahrzehnt nochmals verdreifacht. Zwischen 2010 und 2020 werden sie vermutlich weniger stark anwachsen, aber die amerikanischen werden real sinken. Nachdem es ihr nicht gelungen ist, einen Plan zu entwerfen, um von ihrem 16,7 Billionen hohen Schuldenberg (das
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