Krieg – Wozu er gut ist
anderen begann Münzen zu prägen, und Kaufleute transportieren Weizen, Reis und Luxusgüter dorthin, wo sie die besten Preise erzielten. Der Staat senkte die Zölle und investierte in Straßen und Häfen. Von der mächtigen Hauptstadt Chang’an mit ihrer halben Million Einwohner bis hinab in das bescheidenste Dorf herrschte auf den Märkten der Han-Ära ein geschäftiges Treiben von Reich und Arm; jeder verkaufte, was er billig produzieren konnte, und kaufte den Rest. Philosophen machten sich bereits Gedanken darüber, ob es denn richtig sei, dass Kaufleute derart wohlhabend werden sollten.
Chinesische Archäologen haben (noch) nicht genügend Daten quantifiziert, um den steigenden Lebensstandard im chinesischen Altertum grafisch darzustellen. Aber seit 2003 liefern uns die Ausgrabungen in dem Dörfchen Sanyangzhuang doch halbwegs aussagekräftige Näherungswerte.
Eines Tages im Jahre 11 n. Chr. brach in diesem Ort am Gelben Fluss (Huang He) der Damm. Es muss tagelang in Strömen gegossen haben, und man hatte weiter flussaufwärts Überflutungen gemeldet, aber die Bauern von Sanyangzhuang hofften das Beste und ließen sich allem Anschein nach nicht davon abhalten, weiterhin die gute, fruchtbare Erde zu bestellen. Es ist 2 000 Jahre später schwer zu sagen, wie die ersten Anzeichen der Katastrophe aussahen. Vielleicht war es ein fernes, dumpfes Grollen, als die Schutzdämme nachgaben und eine Sintflut braunes Wasser durchbrach. Aber höchstwahrscheinlich hatten sie wegen des prasselnden Regens auf ihren Schindeldächern gar nichts gehört. Erst, so vermute ich, als schlammiges Wasser unter ihren Türen in die Häuser hineinzufließen begann, dürfte ihnen die schreckliche Wahrheit aufgegangen sein: Es war dies kein bloßerSturm mehr. Das Undenkbare war passiert. Alles liegen und stehen lassend, liefen die Bauern um ihr Leben. Ihr Dorf hatte seit tausend Jahren am selben Fleck gestanden; binnen weniger Stunden war es nicht mehr zu sehen.
Die Archäologie ist ein makabrer Beruf. Sie hat aus einer Tragödie im Jahre 11 n. Chr. einen Triumph der Wissenschaft gemacht, indem sie ein Dorf der Han-Dynastie ausgegraben hat, das so gut erhalten ist, dass die Presse es als das »Pompeji Asiens« 11 bezeichnet hat. Indem sie akribisch den Schlamm aus dem Fluss von der Lehmdecke einer normalen Dorfstraße abkratzten, haben die Ausgräber selbst die Abdrücke bloßer Füße und beschlagener Hufe von Dorfbewohnern und ihren Pferden freilegen können, die auf die gepflügten Felder hinausflohen.
Das an sich schon ist packender Stoff; aber aufregender noch als das menschliche Drama sind für den Archäologen die Überbleibsel ihres banalen Alltags, die die Bauern bei ihrer Flucht zurückließen. Diese Dörfler der Han-Zeit lebten in soliden Häusern aus Lehmziegeln, die ganz auffallend denen glichen, die man im Römischen Reich 4000 Meilen weiter im Westen entdeckt hat. Die Ziegeldächer waren sich in beiden Reichen ziemlich ähnlich, und das galt auch für die beeindruckende Menge und Vielfalt eiserner Werkzeuge und handwerklich solider Keramik.
Selbstverständlich gab es auch Unterschiede. Durch vorsichtige Grabung hat man in Sanyangzhuang im Schlamm Abdrücke der Maulbeerblätter freigelegt, mit denen Seidenraupen gefüttert wurden – eine Ressource, für die die Römer viel gegeben hätten. In den 70er-Jahren n. Chr. meinte der ebenso gelehrte wie bärbeißige römische Geograf Plinius brummig, die feinen Damen verschwendeten Millionen Sesterzen für hauchdünne chinesische Seide, nur weil »eine Dame in der Gesellschaft mit Glanz auftreten soll«. 12 Aber im Großen und Ganzen ähneln die Funde von Sanyangzhuang in bemerkenswertem Maße denen von römischen Dörfern oder eben Pompeji selbst.
Unsere Evidenzen aus Indien sind auch nicht gerade üppig, weisen aber in dieselbe Richtung. Wie Han und Römer standardisierten die Maurya Gewichte und Maße, schlugen in erheblichem Umfang Münzen, sorgten für ein verständliches Handelsrecht, bauten Straßen und halfen den Dorfbewohnern bei der Urbarmachung von Land. Außerdem betrieben sie die Gründung von Zünften, die eine wichtige Rolle im Handelsleben spielten.
Indien präsentierte sich dem griechischen Botschafter Megasthenes als wohlhabendes Land, und die Archäologie gibt ihm recht. Der Subkontinenthat weder ein Pompeji noch ein Sanyangzhuang hervorgebracht, und die besten Beispiele für die Häuser der Maurya sind nach wie vor die, die man bei Taxila und
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