Krieg – Wozu er gut ist
die Techniker ständig an der Verfeinerung ihrer fiesen Methoden. »Und wenn sie die Festungen … nicht einnehmen können«, schrieb Carpini in seinem Bericht, »schleudern sie Griechisches Feuer hinein; und manchmal nehmen sie sogar den Speck getöteter Menschen und schleudern ihn in flüssigem Zustand über die Häuser – und wo auch immer Feuer mit diesem Fett in Berührung kommt, brennt es fast unauslöschlich.« 30
Bagdad, die reichste Stadt des Islams, kapitulierte 1258, nachdem die Katapulte der Mongolen ihr Feuer auf einen einzigen Turm konzentriert und innerhalb von drei Tagen zu Fall gebracht hatten. Nachdem sie den Kalifen verhöhnt hatten, weil er all seinen Reichtum gehortet habe, anstatt ihn in eine ordentliche Verteidigung zu investieren, rollten sie ihn in einen Teppich ein und ließ ihn von Pferden zu Tode trampeln. Es war das offizielle Ende des Abbasiden-Kalifats.
1267 setzten die Mongolen dem durch die Belagerung von Xiangyang noch eines drauf. Die möglicherweise größte Festung der Welt war der strategische Schlüssel zum Chinesischen Reich. Sechs Jahre trotzte sie ihnen. Nichts – weder Rammböcke, noch Feuerwaffen, noch Sturmleitern – vermochten etwas auszurichten, aber die stets anpassungsfähigen Nomaden passten sich einmal mehr an, indem sie ihre Pferde zugunsten von Schiffen aufgaben. Nachdem sie die chinesische Flotte vom Han Jiang gefegt hatten, schossen sie mit neuartigen Katapulten Löcher in die Mauern von Fancheng, das das Xiangyang gegenüberliegende Ufer des Flusses bewachte. Und nachdem Fancheng gefallen war, wurde auch Xiangyangs Position hoffnungslos; und nach dem Fall Xiangyangs galt das auch für den Rest des Chinesischen Reichs. 1279 jagte Kublai Khan den letzten Kaiser der Song-Dynastie ins Meer und usurpierte den himmlischen Thron.
Als nicht weniger anpassungsfähig erwiesen die Nomadenheere sich in der offenen Schlacht. 1191 zum Beispiel flüchtete die Steppenreiterei des Ghuriden-Reiches noch in heilloser Unordnung, als sie in Indien zum ersten Mal auf Elefanten traf, und ihr verwundeter Kommandant konnte von Glück reden, mit dem Leben davongekommen zu sein. Als er im nächsten Jahr zurückkam, trat er, auf demselben Schlachtfeld bei Tarain, gegen dasselbe Bündnis von Rajputen-Fürsten aus dem Ganges-Tal an, diesmal jedoch mit einer anderen Taktik. Vier Flügel berittener Bogenschützen zu je 10 000 Mann setzten den indischen Kräften abwechselnd zu, immer unter Vermeidung jeden direkten Kontakts mit den Elefanten; und als schließlich die Nacht hereinbrach, gab der Angriff einer Ghuriden-Reserve von 12 000 Lanzenreitern den zermürbten indischen Reihen den Rest.
Das ungeheure Heer der Ghuriden von über 50 000 Reitern belegt darüber hinaus noch den letzten und wichtigsten Grund dafür, dass die Macht der Nomaden derart anwachsen konnte. Sie hatten nicht nur mit Mauern, Schiffen und Elefanten fertig zu werden, sondern auch die Regeln des Nachschubwesens gelernt. Spätestens im 13. Jahrhundert hoben Nomaden regelmäßig Armeen wie die der Ghuriden aus und versorgten sie, wobei jeder Reiter drei, vier Ersatzpferde mitführte. Wenn Heere aus den Steppen um der Kontrolle der Glücklichen Breiten willen gegeneinander in den Krieg zogen – etwa als Dschingis Khan 1221 am Ufer des Indus die Choresmier vernichtete oder die türkischen Mameluken sechzig Jahre später bei Homs in Syrien einfallende Mongolen zurückschlugen –, konnte es vorkommen, dass unter dem Pfeilregen einer staubigen Quadratmeile eine halbe Million Pferde eingepfercht waren.
Das Ausmaß des Blutbads unter Mensch und Tier war schwindelerregend, verblasste aber im Vergleich zu den Massakern danach. Die Zahlen, die einige der Überlebenden niedergeschrieben haben, sind kaum zu glauben. So hätten die Mongolen, laut einem persischen Geschichtsschreiber, bei Nischapur 1 474 000 Menschen umgebracht, dazu sämtliche Hunde und Katzen; bei Herat, so ein anderer, seien es 2 400 000 gewesen. Kaum zu glauben sind diese Zahlen deshalb, weil sie die Zahl der Gesamtbevölkerung der fraglichen Städte übersteigen. Aber selbst wenn wir verwegenere Behauptungen dieser Art beiseitelassen, so sieht es doch ganz danach aus, als hätten bei jedem Einfall von Reitern aus der Steppe in die Glücklichen Breiten Hunderttausende ihr Leben verloren, manchmal auch Millionen. Die Zahl der unter Dschingis Khan Niedergemetzelten beträgt wahrscheinlich einige zehn Millionen; und als Tamerlan um 1400 eine
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