Krieg – Wozu er gut ist
mit 94 – nach der Belagerung von Shrewsbury – Gehängten und einer nicht genannten Zahl von Menschen, die bei einer weiteren Belagerung und zwei Schlachten umkamen (zu schweigen von diversen Überfällen, Auspeitschungen, versuchten Vergewaltigungen und einem Fall versehentlichen Ertränkens).
Und trotz einer Mordrate von mindestens fünf Prozent lebt Pargeters Personal beileibe nicht in ständiger Angst. Ihre Welt ist nicht die eines Hobbesschen Krieges aller gegen alle, in der jede Begegnung mit einer Gewalttat endet. Die Menschen vertrauen einander, und ihr Vertrauen zahlt sich für gewöhnlich auch aus. Bei alledem sind ihre Figuren auch auf der Hut; sie wissen, wie schnell Fehler sich als tödlich erweisen können. Schon die Widerrede gegenüber einem Vorgesetzten kann zu Hieben führen; ein einsamer Spaziergang im Wald fordert Überfall und Tod geradezu heraus; und wenn der Met fließt, werden selbst alte Freunde im Handumdrehen zu Mördern. Noch nicht einmal Cadfael vermag dafür zu sorgen, dass das Tier im Käfig bleibt.
Ein Käfig für die übrige Welt
Bei all diesen Gefahren war das Shrewsbury des 12. Jahrhunderts immer noch sicherer als der größte Teil der übrigen Welt. Aber das begann sich zu ändern, denn während Steppen und eurasische Reiche sich in ihrem blutigen Kreislauf gefangen sahen, breitete sich der Caging-Prozess über den Rest des Planeten aus und ließ die Zahl der gewaltsamen Todesfälle weiter sinken.
Krume und Klima eignen sich in vielen Teilen der Welt für den Ackerbau, aber aufgrund der ausgesprochen unterschiedlichen Verteilung von für die Domestizierung geeigneten Wildpflanzen und Tieren waren es eben die Glücklichen Breiten, in denen sich als einzigem Teil der Erde innerhalb von 5 000 Jahren nach dem Ende der Eiszeit der Ackerbau zu entwickeln begann. Bis zu Cadfaels Zeit jedoch hatten drei Kräfte für die Verbreitung der Agrikultur weit über die Glücklichen Breiten hinaus gesorgt, und in ihrem Gefolge brachten Caging-Effekt und produktiver Krieg Leviathan auf nahezu jeden Kontinent.
Die erste dieser Kräfte war die Migration. Agrikultur treibt die Bevölkerungszahlen in die Höhe, und seit ihren Anfängen haben Völker darauf mit Ausbreitung reagiert, auf der Suche nach Raum. Solange die Grenzen offen blieben, ließen sich die Folgen des Caging-Prozesses größtenteils vermeiden. In dem Augenblick jedoch, in dem die besten Fleckchen Erde besetzt waren, trieb der Caging-Effekt die Menschen unaufhaltsam in Richtung produktiver Kriege.
Wir sehen das am besten in den ungeheuren Weiten des Pazifik (Abbildung 3.9). Steinzeitbauern aus dem heutigen China hatten bereits 1500 v. Chr. die Philippinen kolonialisiert, und im Verlauf der nächsten 2 000 Jahre waren ihre Nachfahren im Kanu zu ausgedehnten Reisen aufgebrochen, weit über die Sichtweite jeder Küste hinaus, und hatten Hunderte der unbewohnten, aber fruchtbaren Inseln besiedelt, die das heutige Mikronesien ausmachen. Sie bauten Taro an (eine stärkehaltige Knolle, die sich ursprünglich in Südostasien entwickelt hatte), gründeten große Familien und führten Krieg; und wann immer ihre neue Insel zu voll wurde, schickten sie wieder Kanus aus.
Im 1. Jahrtausend n. Chr. breiteten diese Argonauten sich über Polynesien aus und erreichten um 1200 das ferne Neuseeland. Einige besonders heldenhafte dieser Seefahrer paddelten vermutlich bis an die Westküste Amerikas und wieder zurück (auch ohne konkreten Beweise gibt es keine andere logische Erklärung dafür, wie um diese Zeit die amerikanische Süßkartoffel nach Polynesien gekommen sein sollte), nur für eine richtige Völkerwanderung waren die fast 5000 Kilometer zwischen Hawaii und Kalifornien denn doch zu weit. Was bedeutete, dass der »Käfig« sich im Pazifik um 1200 schloss.
Wir kennen diese Geschichte am besten aus Hawaii selbst (größtenteils, so vermute ich, weil man Archäologen nie lange zu Grabungen auf der Pazifikinsel überreden musste). Die ersten Menschen trafen dort zwischen 800 und 1000 ein; zwischen 1 200 und 1 400 kam es zu einem Bevölkerungsboom. Im 19. Jahrhundert gesammelte orale Überlieferungen und jüngste Ausgrabungen gehen darin konform, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen bald zunahmen, und im 15. Jahrhundert machten große Krieger einzelne Inseln zu Königreichen.
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Abbildung 3.9Der Pazifische Rand im Mittelalter
Gebiete in Ostasien, Ozeanien und in den Amerikas, von denen in diesem
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