Krieg – Wozu er gut ist
Isfahan, Delhi und Peking ihnen wenig Beachtung. Eine Gruppe von Europäern mochte die andere ablösen, aber im Großen und Ganzen waren die Machtverhältnisse in Stein gemeißelt. Noch 1690 konnte das Mogulreich der Britischen Ostindienkompanie nahezu mühelos eine schallende Ohrfeige verpassen, als es fand, dass die Eindringlinge sich in Bengalen etwas zu breit machten. In diesem Jahr starb die Hälfte der Männer einer englischen Invasionstruppe an einer unbekannten Krankheit, und die Kompanie musste einen demütigenden Frieden hinnehmen.
Die Lektion schien klar zu sein: Die Europäer waren auf dem Schlachtfeld im Vorteil, aber das nützte ihnen wenig, so lange sie nicht auch im Kampf gegen Keime die Nase vorn hatten. Entfernung, Krankheiten und Demografie machten asiatische Reiche unangreifbar. Die Europäer konnten bestenfalls hoffen, sich um die Krümel zu streiten, die von ihren Tischen fielen.
Doch dann änderte sich alles. Früher oder später holen Pech, schlechtes Blut oder Fehleinschätzungen jedes Reich ein, und 1707 war das Mogulreich an der Reihe. Der Großmogul Aurangzeb hatte nahezu ein halbes Jahrhundert in Indien geherrscht, aber sich in seinen letzten Lebensjahren zuerst mit seinem Sohn und dann mit den Rajas, Nawabs und untergeordneten Sultanen überworfen, die den Subkontinent für ihn verwalteten. Als er starb, nutzten seine ehemaligen Statthalter die Gelegenheit, sich gegen das Mogulreich zu wenden. Recht und Ordnung brachen zusammen, und die Gewalt nahm sprunghaft zu. Jeder kämpfte für sich allein.
Um 1720 intrigierten und kämpften Lokalgranden gegeneinander, gegen ihre Herren im fernen Delhi und gegen ihre eigenen armen Untertanen. Die Akteure in diesem »Game of Thrones« machten hohe Schulden, um ihre Schachzüge zu finanzieren. »Ich falle ihnen [meinen Gläubigern] zu Füßen, bis ich mir die Haut von der Stirn gerieben habe«, klagte einer von ihnen in den 1730er Jahren. 38 Es versteht sich von selbst, dass die verschiedenen Ostindienkompanien diese diplomatische Bresche nur zu gern nutzten, um den Möchtegern-Nawabs Geld zu leihen – besonders, wenn es umgehend an sie zurückfloss, weil diese Fürsten europäische Söldnerheere der Kompanien verpflichteten.
Aber es waren auch angespannte Zeiten für die Ostindienkompanien. Zu den positiven Aspekten gehörte, dass Kompanien, die die Richtigen unterstützten, Königsmacher werden und vielleicht sogar die Rechte erlangen konnten, das Umland ihrer Küstenenklaven zu verwalten und zu besteuern. Der Nachteil war allerdings, dass alle diese Kämpfe den für die Kompanien lebenswichtigen Handel störten und sie zu ruinieren drohten. Verschwiegene Männer mit Dreispitz pendelten zwischen europäischen Festungen und Rajapalästen hin und her, betrogen und wurden betrogen in einer undurchsichtigen Welt ständig wechselnder Politik.
»Dann wurden die Fürsten unabhängig«, stellte der britische Politiker und Philosoph Edmund Burke fest, »aber ihre Unabhängigkeit führte sie in den Ruin.« 39 In den Ostindienkompanien gab es, wenn überhaupt, nur wenige, die die Fürsten tatsächlich ruinieren wollten, aber genau das passierte in der Karnatik (Karnataka in Südindien). Dort herrschten noch größere Wirren als andernorts, weil die intrigierenden Nawabs und Sultane die Möglichkeit hatten, nicht nur mit den Briten (in ihrem Stützpunkt Madras), sondern auch mit den Franzosen (in Pondicherry) Geschäfte zu machen und diese beiden Ostindienkompanien gegeneinander auszuspielen. Als 1744 die Nachricht eintraf, dass Großbritannien und Frankreich in Europa gegeneinander Krieg führten, beschlossen beide Ostindienkompanien, inder Karnatik einzumarschieren, was sich umgehend zu einem vielseitigen Konflikt auswuchs.
Die britisch-französische Konfrontation fügte den diplomatischen Chancen, die der Zusammenbruch des Mogulreichs eröffnete, eine weitere Facette hinzu: Europas anhaltende Revolution in Militärangelegenheiten. Wäre es in den 1640er Jahren zum Zerfall Indiens gekommen, hätten die Europäer daraus vielleicht keinen Nutzen ziehen können, aber in den 1740er Jahren waren ihre professionellen Armeen nicht mehr aufzuhalten. Diese Streitkräfte waren winzig, umfassten selten mehr als 3000 Mann und bestanden meist nicht aus Europäern, sondern aus einheimischen Rekruten. Aber wenn es zum Kampf kam, schlugen die gut ausgerüsteten, gut ausgebildeten und höchst disziplinierten Truppen der Ostindienkompanien regelmäßig einheimische
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