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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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amerikanischen Ureinwohnern, aber die größte Gefahr, der die Spanier sich um 1600 ausgesetzt sahen, bestand nicht im Widerstand der Einheimischen, sondern im Vordringen anderer Europäer, die sich mit Gewalt in ihre Geschäfte drängen wollten.
    Diese Neuankömmlinge – überwiegend Engländer, Niederländer und Franzosen – hatten schwer zu kämpfen. Einzelne Optimisten glaubten, es warteten weitere Azteken- und Inkareiche darauf, ausgeraubt zu werden, und warfen ihr Leben auf der Suche nach El Dorado weg. Aber die meisten gingen davon aus, dass die Spanier schon alles Lohnende gestohlen hatten. (Ein Bericht kam zu dem Schluss, dass es in New Mexico nichts anderes gäbe als »nackte Menschen, falsche Korallenstücke und vier Sorten Kieselsteine«. 31 ) Die einzige Möglichkeit, reich zu werden, bestand offenbar in der Jagd nach neuen Edelmetallvorkommen (»die Lotterie in der Welt, welche die größten Nachteile mit sich bringt«, wie Adam Smith sagte 32 ) oder im Plündern von Schiffen, die Silber nach Spanien transportierten.
    So dachten jedenfalls die Engländer. Walter Raleigh errichtete 1585 auf Roanoke Island vor der Küste North Carolinas ein Piratennest, aber die Kolonisten verschwanden wieder, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Herren, die sich 1607 in Jamestown niederließen, hofften, Gold und Edelsteine zu finden, wurden aber schon bald enttäuscht und mussten hungern. Ritzspuren in den Knochen eines 14-jährigen Mädchens, die man bei Ausgrabungen in einer Abfallgrube fand, lassen vermuten, dass sie im Winter 1609/1610 nur noch Leichen zu essen hatten. Aber 1612 machten die ausgemergelten Überlebenden eine große Entdeckung: In ihrer sumpfigen, malariageplagten neuen Heimat gedieh Tabak. Seine Blätter waren zwar nicht so süß wie die Tabaksorten, die die Spanier auf Kuba anbauten, aber er war billig, und die Engländer kauften ihn gern.
    Mittlerweile entdeckten französische Siedler in Quebec und niederländische Kolonisten in Manhattan ebenso einträgliche europäische Märkte für amerikanische Pelze, und die religiösen Auswanderer, die in den 1620er Jahren aus England nach Massachusetts flüchteten, verkauften munter Holz für Schiffsmasten an ihre ehemaligen Verfolger. Um 1650 exportierten diePuritaner zudem Nahrungsmittel in die Karibik, wo Plantagenbesitzer jedes Stück Land für den Anbau von Zuckerrohr nutzten, ein Wundermittel, das sich sogar noch besser verkaufte als Tabak.
    Seit der Eiszeit hatte der Atlantik eine Barriere gebildet, die die Alte und die Neue Welt getrennt hatte, aber die schnellen Galeonen des 17. Jahrhunderts verwandelten ihn in eine Hauptverkehrsader. Sie brachten Handelsgüter von Westen nach Osten und Menschen – eine »weiße Pest« nennt sie der Historiker Niall Ferguson 33 – in die entgegengesetzte Richtung.
    Außerhalb Amerikas verlief Europas Krieg gegen die Welt dagegen anfangs weniger gut, weil das Verhältnis von Entfernung, Krankheiten, Demografie, Diplomatie und Feuerkraft weniger günstig war. In Westafrika, wo die Sklaven für die amerikanischen Bergwerke und Plantagen herkamen, hatten Europäer ebenfalls eine überwältigende militärische Dominanz, verloren aber durchgängig den Mikrobenkrieg. Hier erlebten sie und nicht die Afrikaner demografische Katastrophen, denn sie starben scharenweise an Gelbfieber und Malaria. Nur in gesundheitlich ungewöhnlich günstigen Gegenden wie um Kapstadt konnten die Europäer sich wirklich durchsetzen. Nachdem sie dort 1652 gelandet waren, drängten niederländische Siedler die einheimischen Khoikhoi-Bauern um achtzig Kilometer zurück, und 1713 setzte eine Pockenepidemie dem Widerstand der Ureinwohner praktisch ein Ende.
    Das war jedoch eine Ausnahme. Gewöhnlich machten Europäer kaum Fortschritte, wenn sie nicht mit Glück diplomatische Durchbrüche erzielten. So drangen portugiesische Kaufleute 1531 in Südostafrika auf dem Sambesi landeinwärts vor, aber das Königreich Mutapa (ein Nachfolger von Groß-Simbabwe, das in den 1440er Jahren seinen Niedergang erlebt hatte) hielt sie auf Abstand. Das änderte sich erst um 1600, als eine Rebellion den König von Mutapa derart kopfscheu machte, dass er aus Sorge um seinen Thron portugiesische Soldaten und Missionare ins Land holte. Als er 1627 starb, besaßen diese Berater so viel Einfluss, dass sie es waren, die seinen Nachfolger auswählen konnten.
    Noch um 1700 mussten die Europäer sich meist mit winzigen Brückenköpfen entlang der Küste begnügen, wo Kaufleute

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