Krieger der Stille
hingebt. Ihr seid Geiseln der Wesen, die sich verstellen. Ihr seid Marionetten von Trugbildern. Eure ganze Begeisterung und Leidenschaft gilt eurer äußeren Erscheinung! Ich sehe hier nichts als Puder, Schminke, Schönheitsoperationen, hohle Hüllen … Mehr Schein als Sein! Ihr denkt nur an die Befriedigung eurer Sinne und vernachlässigt euren Geist, eure Seele. Und damit bringt ihr die Quelle eures Lebens zum Versiegen, und deshalb habt ihr Angst. Was hat die Kirche des Kreuzes gesagt: Jene, die die Seele vernachlässigen, werden in Leid und Schmerz enden … Und genau das habt ihr getan. Und dann wundert ihr euch darüber, dass sich andere des Wertvollsten bemächtigen, das ihr besitzt: eure Seele, euer innerer Tempel. Und dann bedient ihr euch der Gedankenhüter, um den anderen den Zutritt zu euren Seelen zu verwehren. Doch die Gedankenhüter sind wie Dornenranken und Brennnesseln, die sich in einem leer stehenden Haus einnisten, die den Herren des Hauses – also euch – untersagen, es wieder in Besitz zu nehmen. Und jetzt sucht ihr nach einer Methode, das zu verhindern? Ganz einfach: Reinigt euer Haus! Aber wenn ihr zweimal in der Woche in den Tempel geht, wird es gewiss nicht wieder rein! Dann gehört ihr nur zu diesem Heer von Scheinheiligen, die sich bei Gottesdiensten zur Schau stellen und deren Seele verhärtet ist … Nein, die Antwort auf eure Probleme findet ihr nur in euch selbst. Übt Demut und Mitgefühl, dann brauchen wir solche Versammlungen nicht mehr. Die Kirche des Kreuzes hat uns ein Beispiel gegeben, als sie …«
»Blasphemie!«, rief jemand mit gutturaler Stimme. Sie kam aus der Ecke, wo die Gedankenhüter standen.
Sofort spürte Artuir Boismanl eine dumpfe Angst in sich aufsteigen, und er musste wieder an seine Frau denken.
Ein Scaythe löste sich aus der Gruppe, schritt langsam bis zu der Fontäne in der Mitte des Raums und blieb in demonstrativ provozierender Haltung vor den Versammelten stehen.
»Was fällt Ihnen ein? Gehen Sie sofort zu den anderen zurück!«, rief Jadaho d’Ibrac.
Der Scaythe antwortete nicht, sondern streifte mit theatralischer Geste die Kapuze von seinem Kopf. Beim Anblick dieses zerklüfteten grünlichen Gesichts stießen die Höflinge Schreckensschreie aus, und Artuir hätte fast die Kontrolle über seine Blase verloren. Der Scaythe war kein Gedankenschützer, sondern Pamynx, der Großkonnetabel Syracusas. Jetzt glühten seine gelben Augen wie Unheil bringende Steine.
»Ich wusste, dass es Euch an Ehre mangelt, aber es überrascht mich, dass Ihr so weit gegangen seid, Euch hier einzuschleichen!«, sagte Tist d’Argolon in einem Ton äußerster Verachtung. »Ihr gehört nicht zu den Geladenen!«
Artuir bewunderte den Ton souveräner Herablassung und die Ruhe des Adeligen, trotzdem wurde seine Angst immer größer. Siehst du jetzt ein, wohin dich deine Träume gebracht haben, mein guter Boismanl? Warum, oh, warum nur hatte er nicht auf seine Frau gehört?
Pamynx’ gelbe Augen waren jetzt auf das Podium gerichtet. Auch Maryt d’Argolon hatte sich erhoben und die Hand ihres Gatten ergriffen.
»Zügelt Euren Hochmut, Sieur d’Argolon!«, konterte der Konnetabel. »Ihr seid nicht in der Lage, mir Ratschläge zu erteilen, noch mir mit Sarkasmus zu begegnen. Denn ich
klage Euch und Eure Gäste der Verschwörung gegen den Herrscher von Syracusa und die heilige Kirche des Kreuzes an!«
»Und ich, ich klage Euch an, unsere Gedankenschützer bestochen zu haben! Ihr habt sie gezwungen, ihren Ehrenkodex zu verletzen! Ich weiß, dass Ihr zu allem fähig seid, wenn Ihr Euer Ziel erreichen wollt!«
»Was bedeutet mir schon der Begriff der Ehre«, entgegnete Pamynx verächtlich. »Das ist ein Wort aus der Vergangenheit. Und die meisten Verschwörer sind heute hier versammelt. Das allein ist wichtig. In dieser Hinsicht habt Ihr mir viel Zeit erspart, Sieur d’Argolon. Dafür bin ich Euch dankbar.«
Außer sich vor Zorn sprang Tist d’Argolon vom Podium, bahnte sich einen Weg durch die Sitzreihe und stellte sich mit drohend geballter Faust vor den Konnetabel.
»Ich werde Euch von meinen Leuten sofort hinrichten lassen, Konnetabel. Leider seid Ihr so unvorsichtig gewesen, mich auf meinem Grund und Boden herauszufordern.«
»Sprecht Ihr etwa von Eurer Leibgarde?«, fragte Pamynx höhnisch.
Tist d’Argolon machte einem seiner Assistenten ein Zeichen, der daraufhin nervös auf die Tasten seines Taschenholofons drückte.
»Darf ich fragen, warum Ihr das
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