Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
Luthadel gelangen und die anderen warnen. Falls sie …
Sazed erstarrte. Ein unangenehmer Nebeneffekt des scharfen Sehens bestand darin, dass er die Fähigkeit verlor, seine unmittelbare Umgebung wahrzunehmen. Daher war es durchaus nicht erstaunlich, dass er die Koloss-Patrouille, die zu seiner Birke unterwegs war, nicht bemerkt hatte.
Bei allen vergessenen Göttern! Er hielt sich an der Baumspitze fest und dachte rasch nach. Einige Kolosse bahnten sich bereits einen Weg durch den kleinen Hain. Wenn er sich jetzt zu Boden fallen ließ, konnte er nicht schnell genug entkommen. Wie immer trug er einen Kupfergeist; er konnte so stark wie zehn Männer werden und diese Stärke auch eine Zeit lang beibehalten. Vielleicht wäre er in der Lage, gegen sie zu kämpfen …
Doch die Kolosse trugen grob aussehende, aber mächtige Schwerter. Sazeds Notizen, seine Erinnerung und die Überlieferungen stimmten allesamt überein: Kolosse waren sehr gefährliche Krieger. Auch wenn Sazed so stark wie zehn Männer war, besaß er doch nicht das Geschick, sie zu besiegen.
»Komm runter«, rief eine tiefe, undeutliche Stimme von unten herauf. »Komm sofort runter.«
Sazed warf einen Blick nach unten. Ein großer Koloss, dessen Haut sich gerade erst spannte, stand vor der Birke, umfasste sie und schüttelte sie.
»Komm sofort runter«, wiederholte das Geschöpf.
Die Lippen arbeiten nicht sehr gut, dachte Sazed. Es klingt wie bei
einem Menschen, der zu sprechen versucht, ohne die Lippen zu bewegen. Es erstaunte ihn nicht, dass das Geschöpf reden konnte, denn seine Notizen hatten ihm dies bereits verraten. Allerdings überraschte es ihn, wie ruhig die Worte klangen.
Ich könnte weglaufen, dachte er. Vielleicht war es ihm möglich, sich von Krone zu Krone zu bewegen, wenn er seine Metallgeister von sich warf und auf den Windböen zu reiten versuchte. Aber das wäre sehr schwierig – und das Ergebnis war völlig unvorhersehbar.
Außerdem müsste er dann seine Kupfergeister zurücklassen – eintausend Jahre Geschichte.
Also ließ Sazed den Baum los. Seinen Weißblechgeist hielt er bereit, falls er Kraft brauchen sollte. Der Anführer der Kolosse – Sazed vermutete, dass er das war – sah mit blutunterlaufenen Augen zu, wie Sazed zu Boden stürzte. Er blinzelte nicht. Sazed fragte sich, ob er überhaupt blinzeln konnte, wo doch seine Haut so straff gespannt war.
Sazed traf neben dem Baum auf den Boden und griff sofort nach seinem Gepäck.
»Nein«, fuhr ihn der Koloss an, packte Sazeds Bündel mit einer übermenschlich schnellen Armbewegung und warf es einem seiner Gefährten zu.
»Ich brauche es«, sagte Sazed. »Ich werde viel kooperativer sein, wenn …«
»Still!«, schrie der Koloss in einem so plötzlichen Wutausbruch, dass Sazed rasch einen Schritt nach hinten machte. Terriser im Allgemeinen und Terriser Eunuchen im Besonderen waren sehr groß, und daher empfand es Sazed als ziemlich bestürzend, gegenüber dieser neun Fuß großen Kreatur, deren Haut von einem schwärzlichen Blau war und deren Augen die Farbe der Abendsonne hatten, wie ein Zwerg zu wirken. Das Wesen türmte sich über Sazed auf, und unwillkürlich krümmte er sich zusammen.
Anscheinend war das die richtige Verhaltensweise, denn der Führer-Koloss nickte und wandte sich ab. »Komm«, brummte
er undeutlich und stapfte voran durch den Birkenhain. Die anderen Kolosse – es waren sieben – folgten ihm.
Sazed wollte keinesfalls herausfinden, was geschehen mochte, wenn er nicht gehorchte. Er erwählte sich einen Gott – Duis, von dem es hieß, er wache über müde Wanderer – und sprach ein schnelles, stummes Gebet zu ihm. Dann eilte er los und blieb bei dem Koloss-Rudel, das sich auf den Rückweg ins Lager machte.
Wenigstens haben sie mich nicht sofort umgebracht, dachte Sazed. Nach dem, was er über diese Wesen gelesen hatte, hatte er so etwas eigentlich erwartet. Doch auch die Bücher wussten nicht alles. Schon seit Jahrhunderten lebten die Kolosse getrennt von den Menschen; der Oberste Herrscher hatte sie nur in Zeiten größter Kriegsnot gerufen und dazu benutzt, Revolten zu unterdrücken und jene neuen Völker zu erobern, die auf den inneren Inseln entdeckt worden waren. Damals hatten die Kolosse vollkommene Zerstörung hinterlassen – zumindest behauptete die Geschichtsschreibung das.
Könnte das alles Propaganda gewesen sein?, fragte sich Sazed nun. Vielleicht sind die Kolosse gar nicht so gewalttätig, wie wir vermutet haben.
Einer der
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