Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
natürlicher umzudrehen. Und dadurch fühlte sie sich noch schöner. Als sie vor ihrem Spiegel stand, überlegte Vin, wie es wäre, dieses Kleid auf einem richtigen Ball zu tragen. Und wie es wäre, auf diesem Ball sie selbst zu sein und nicht Valette, die unsichere Landadlige. Nicht einmal die Skaa-Diebin Vin. Sondern nur sie selbst.
Oder wenigstens so zu sein, wie sie sich selbst sah. Sie besaß inzwischen ein größeres Selbstvertrauen, weil sie ihre Stellung als Nebelgeborene akzeptierte. Und weil sie die Stellung akzeptierte, die sie sich durch die Beseitigung des Obersten Herrschers erworben hatte. Und weil sie wusste, dass der König sie liebte.
Vielleicht könnte ich beides sein, dachte sie, während sie mit den Händen über die Seiten des Kleides strich und den glatten Satin spürte.
»Du siehst sehr schön aus, mein Kind«, sagte Tindwyl.
Vin drehte sich zu ihr um und lächelte zögernd. »Ich habe keinen Schmuck. Meinen letzten habe ich Elant gegeben, damit er
Essen für die Flüchtlinge beschaffen kann. Außerdem hätte er sowieso die falsche Farbe für dieses Kleid gehabt.«
»Viele Frauen tragen Schmuck, um damit ihre Schlichtheit zu überdecken«, sagte Tindwyl. »Das hast du nicht nötig.«
Die Terriserin stand in ihrer üblichen Haltung und mit gefalteten Händen vor ihr; ihre Ringe und Ohrringe funkelten. Doch keines ihrer Schmuckstücke trug einen Edelstein; die meisten bestanden sogar aus einfachen Materialien: Eisen, Kupfer, Weißblech. Aus ferrochemischen Materialien.
»Du bist schon lange nicht mehr bei Elant gewesen«, sagte Vin, während sie sich wieder dem Spiegel zudrehte und ihr Haar mit einigen hölzernen Spangen bändigte.
»Der König strebt rasch auf den Punkt zu, an dem er meine Anweisungen nicht mehr braucht.«
»Ist er bald so weit?«, fragte Vin. »Wie die Männer in deinen Biografien?«
Tindwyl lachte. »Gute Güte, nein, mein Kind. Davon ist er noch weit entfernt.«
»Aber …«
»Ich sagte, er braucht bald meine Anweisungen nicht mehr«, erklärte Tindwyl. »Er lernt gerade, dass er sich auf die Worte der anderen nicht völlig verlassen kann und deshalb zu eigenen Entscheidungen kommen muss. Du wärest erstaunt, wie viel bei einem guten Anführer einfach aus der Erfahrung herrührt.«
»Ich habe den Eindruck, dass er sich schon sehr verändert hat«, sagte Vin leise.
»Das stimmt«, bestätigte Tindwyl. Sie trat neben Vin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Er wird jetzt zu dem Mann, der er sein muss, und das war ihm schon immer klar. Er wusste nur nicht, wie er das erreichen sollte. Obwohl ich viel an ihm gearbeitet habe, glaube ich fest daran, dass er seinen Weg auch dann gefunden hätte, wenn ich nicht hergekommen wäre. Ein Mann stolpert so lange, bis er entweder fällt oder sein Gleichgewicht gefunden hat.«
Vin betrachtete ihr Spiegelbild, das in dem kastanienfarbenen
Kleid wirklich sehr hübsch aussah. »Und das ist das, wozu ich geworden bin. Für ihn.«
»Für ihn«, stimmte Tindwyl zu. »Und für dich selbst. Das ist das Ziel, zu dem du unterwegs warst, bevor du abgelenkt wurdest. «
Vin drehte sich zu ihr um. »Begleitest du uns heute Abend?«
Tindwyl schüttelte den Kopf. »Ich gehöre nicht dorthin. Und jetzt solltest du zu deinem König gehen.«
Diesmal hatte Elant nicht vor, das Feindesnest ohne richtige Eskorte zu betreten. Zweihundert Soldaten standen im Hof und warteten darauf, ihn zum Abendessen mit Cett zu begleiten, und Hamm – der in voller Rüstung steckte – spielte seinen persönlichen Leibwächter. Spuki würde als Elants Kutscher dienen. Somit blieb nur Weher übrig, der verständlicherweise ein wenig nervös bei dem Gedanken war, Elant zum Essen zu begleiten.
»Du musst nicht unbedingt mitkommen«, sagte Elant zu dem untersetzten Mann, als sich die Gruppe im Wager-Hof versammelte.
»Nicht?«, fragte Weher. »Also gut, dann bleibe ich gern hier. Viel Spaß beim Essen!«
Elant warf ihm einen finsteren Blick zu.
Hamm klopfte Elant auf die Schulter. »Du solltest wissen, was passiert, wenn du jemandem ein Schlupfloch lässt, Elant!«
»Ich hab es ehrlich gemeint«, sagte Elant. »Wir könnten zwar einen Besänftiger gut gebrauchen, aber du musst uns nicht begleiten, wenn du nicht willst.«
Weher wirkte erleichtert.
»Du fühlst dich nicht einmal ein bisschen schuldig, nicht wahr?«, fragte Hamm.
»Schuldig?«, fragte Weher zurück und legte die Hand auf seinen Duellstab. »Mein lieber Hammond, hast du mich jemals
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