Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
leidenschaftlichen Mann zur Gründung seiner Religion ausgesucht – oder eher zur Durchführung der Revolution, aus der sich später die Religion ergeben hatte. Kelsier hatte Anführer benötigt, welche die Massen entflammen und sie zu einem zerstörerischen Aufruhr anstacheln konnten.
Doch Demoux war anders. Er brüllte nicht, sondern sprach ruhig. Dennoch hörten ihm die Leute zu. Sie saßen auf den Steinen um ihn herum und sahen ihn mit Blicken an, die Vertrauen und sogar Anbetung ausdrückten.
»Die Erbherrin«, flüsterte einer von ihnen. »Was ist mit ihr?«
»Herrin Vin trägt eine große Verantwortung«, sagte Demoux. »Ihr könnt sehen, wie sehr sie von dieser Last gebeugt ist und wie sehr sie die Schwierigkeiten quälen, in denen sich diese
Stadt befindet. Sie ist eine offene und ehrliche Frau, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr die politischen Winkelzüge des Rates gefallen.«
»Aber sie wird uns doch beschützen, oder?«, fragte ein anderer.
»Ja«, antwortete Demoux. »Ja, das glaube ich. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie noch mächtiger als der Überlebende ist. Wisst ihr, dass er nur zwei Jahre Zeit hatte, um seine Fähigkeiten als Nebelgeborener zu entfalten? Sie hatte sogar noch weniger Zeit dazu.«
Vin wandte sich ab. Darauf läuft es immer hinaus, dachte sie. Sie klingen ganz vernünftig, bis sie auf mich zu sprechen kommen, und dann …
»Eines Tages wird sie uns den Frieden bringen«, fuhr Demoux fort. »Die Erbin wird die Sonne zurückholen und dafür sorgen, dass die Asche nicht mehr fällt. Doch bis dahin müssen wir am Leben bleiben. Die ganze Arbeit des Überlebenden war darauf ausgerichtet, dem Obersten Herrscher den Tod zu bringen und uns zu befreien. Erzeigen wir ihm etwa Dankbarkeit dadurch, dass wir jetzt, wo die Armeen gekommen sind, einfach weglaufen?
Geht und sagt euren Ratsvertretern, dass wir weder Graf Cett noch Graf Penrod als unseren König haben wollen. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass der richtige Mann gewählt wird. Der Überlebende hat Elant Wager auserkoren, und ihm müssen wir folgen.«
Das ist neu, dachte Vin.
»Graf Elant ist schwach«, wandte einer der Zuhörer ein. »Er kann uns nicht verteidigen.«
»Herrin Vin liebt ihn«, erwiderte Demoux. »Sie würde niemals einen schwachen Mann lieben. Penrod und Cett werden euch so behandeln, wie man die Skaa früher behandelte, und deshalb glaubt ihr, dass sie stark sind. Aber das ist keine Stärke – es ist Unterdrückung. Wir können Besseres haben! Wir müssen dem Urteil des Überlebenden vertrauen!«
Vin entspannte sich auf dem Rand des Daches. Falls Demoux tatsächlich der Spion sein sollte, dann gab er heute Nacht nicht den geringsten Anlass zu dieser Annahme. Also steckte sie ihre Dolche weg und saß mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Dach. Das Feuer knisterte in der kühlen Winternacht und schickte Rauchwolken in den Himmel, die sich mit dem Nebel vermischten. Demoux sprach mit seiner stillen, besänftigenden Stimme weiter und erzählte den Menschen von Kelsier.
Eigentlich ist es keine richtige Religion, dachte Vin, während sie zuhörte. Diese Theologie ist so primitiv und entspricht überhaupt nicht den komplizierten Glaubenssätzen, über die Sazed andauernd redet.
Demoux lehrte Grundlagen. Er benutzte Kelsier als Vorbild und redete darüber, schwierige Zeiten auszuhalten und zu überleben. Vin verstand, warum diese direkten Worte so wichtig für die Skaa waren. Sie hatten nur zwei Möglichkeiten: Entweder kämpften sie weiter, oder sie gaben auf. Demoux’ Lehren verschafften ihnen einen Grund zum Weiterleben.
Die Skaa brauchten keine Rituale, Gebete oder Normen. Noch nicht. Sie waren zu unerfahren im Umgang mit einer Religion und hatten vor so etwas noch zu viel Angst. Doch je länger Vin zuhörte, desto besser verstand sie die Kirche des Überlebenden. Genau das brauchten die Skaa. Diese Kirche nahm das, was die Skaa kannten – ein Leben voller Beschwernisse –, und hob es auf eine höhere, optimistischere Ebene.
Und die Lehren entwickelten sich weiter. Die Vergöttlichung Kelsiers hatte sie erwartet, und sogar die Verehrung für sie selbst war verständlich. Aber woher nahm Demoux das Versprechen, Vin würde den Ascheregen aufhalten und die Sonne zurückbringen? Woher wusste er vom grünen Gras und dem blauen Himmel, und wieso beschrieb er die Welt so, wie sie nur in den rätselhaftesten und entlegensten Schriften dargestellt wurde?
Er schilderte eine
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