Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
Gürtel.
Er ließ ihn vor ihren Füßen fallen und nahm wieder seine Wartestellung ein. Vin hob den Gürtel auf und holte eine ihrer
Reservephiolen heraus. »Vielen Dank«, sagte sie langsam. »Das ist sehr … zuvorkommend von dir.«
»Ich erfülle nur meinen Vertrag, Herrin«, sagte der Kandra. »Sonst nichts.«
Das ist mehr, als du je zuvor getan hast, dachte Vin und goss den Inhalt der Phiole hinunter. Sie spürte, wie ihre inneren Vorräte aufgefüllt wurden. Sofort verbrannte sie Zinn, konnte in der Dunkelheit wieder sehen, und die Anspannung fiel von ihr ab. Seit sie ihre Kräfte entdeckt hatte, war sie nachts nie mehr in vollkommener Dunkelheit gewesen.
Die Läden vor dem Zimmer, in dem sich der Wächter versteckt hatte, standen offen; anscheinend war er während ihres Erlebnisses geflüchtet. Vin seufzte.
»Herrin!«, rief OreSeur plötzlich.
Vin wirbelte herum. Ein Mann landete leise hinter ihr. Er wirkte irgendwie … vertraut. Er hatte ein schmales Gesicht und dunkles Haar. Verwirrt hielt er den Kopf schräg. Sie sah die Frage in seinen Augen. Warum war sie vorhin zu Boden gestürzt?
Vin lächelte. »Vielleicht habe ich es nur getan, um dich näher an mich heranzulocken«, flüsterte sie leise – jedoch laut genug für seine von Zinn geschärften Ohren.
Der Nebelgeborene lächelte und neigte dann den Kopf, als ob er ihr Respekt zollte.
»Wer bist du?«, fragte Vin und machte einen Schritt nach vorn.
»Ein Feind«, antwortete er und hob eine Hand, um Vin aufzuhalten.
Sie blieb stehen. Nebel wirbelte zwischen ihnen durch die stille Straße. »Warum hast du mir dann bei meinem Kampf gegen die Attentäter geholfen?«
»Weil ich ebenfalls wahnsinnig bin«, sagte er.
Vin runzelte die Stirn und betrachtete den Mann. Sie hatte schon oft den Wahnsinn in den Augen der Bettler lauern sehen. Dieser Mann war nicht wahnsinnig. Stolz stand er da und blickte sie gefasst in der Finsternis an.
Was treibt er für ein Spiel mit mir?, fragte sie sich.
Ihre Instinkte – ihr ganzer Lebensschatz an Instinkten – warnte sie, wachsam zu sein. Sie hatte gerade erst gelernt, ihren Freunden zu vertrauen, und dasselbe Privileg wollte sie nicht einem Mann schenken, dem sie zufällig in der Dunkelheit begegnet war.
Aber es war länger als ein Jahr her, seit sie zum letzten Mal mit einem anderen Nebelgeborenen gesprochen hatte. Es gab Konflikte in ihr, die sie den anderen nicht erklären konnte. Selbst Nebelinge wie Hamm und Weher begriffen nicht das seltsame, vielschichtige Leben eines Nebelgeborenen. Sie war teils Attentäterin, teils Leibwächterin, teils Mitglied des Adels … teils verwirrtes, stilles Mädchen. Hatte dieser Mann ähnliche Schwierigkeiten mit seiner Identität?
Vielleicht konnte sie einen Verbündeten aus ihm machen und einen zweiten Nebelgeborenen zur Verteidigung des Zentralen Dominiums gewinnen. Selbst wenn ihr das nicht gelingen sollte, durfte sie es sich auf keinen Fall leisten, gegen ihn zu kämpfen. Ein kleines Scharmützel in der Nacht war eine harmlose Sache, aber wenn es ernst wurde, konnte leicht Atium ins Spiel kommen.
Und wenn das geschah, dann hatte sie verloren.
Der Wächter beobachtete sie eindringlich. »Beantworte mir eine Frage«, sagte er aus dem Nebel.
Vin nickte.
»Hast du ihn wirklich getötet?«
»Ja«, flüsterte Vin. Es gab nur eine einzige Person, auf die sich seine Frage beziehen konnte.
Er nickte langsam. »Warum spielst du ihr Spiel mit?«
»Wessen Spiel?«
Der Wächter deutete in den Nebel und auf die Festung Wager.
»Das ist kein Spiel«, erwiderte Vin. »Es ist kein Spiel, wenn die Menschen, die ich liebe, in Gefahr sind.«
Der Wächter stand zunächst reglos da und schüttelte dann den Kopf, als wäre er … enttäuscht. Schließlich holte er etwas aus seinem Gürtel hervor.
Sofort sprang Vin zurück. Doch der Wächter warf nur eine Münze auf den Boden zwischen ihnen. Sie prallte mehrfach ab und kam schließlich auf dem Pflaster zur Ruhe. Dann drückte sich der Wächter nach hinten in die Luft.
Vin folgte ihm nicht. Sie hob die Hand und rieb sich die Schläfe. Immer noch fühlte sie sich so, als müsste sie eigentlich Kopfschmerzen haben.
»Ihr lasst ihn gehen?«, fragte OreSeur.
Vin nickte. »Für heute Nacht sind wir fertig. Er hat gut gekämpft. «
»Ihr klingt beinahe respektvoll«, sagte der Kandra.
Vin drehte sich zu ihm um und runzelte die Stirn über die leichte Abscheu in der Stimme des Kandra. OreSeur saß geduldig da und zeigte keine
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