Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
zu schützen, lastete jetzt auf ihm. Behutsam legte er ihn auf die Grabplatte und schlug das schmutzige Tuch zurück. Das Gold und die Edelsteine, mit denen die Hülle besetzt war, in der der Stab steckte, glitzerten in der Morgendämmerung. Heißer Triumph wallte in Robert auf. Die letzte Reliquie, die in der Letzten Prophezeiung erwähnt wurde – die, die König Edward so dringend benötigte, um seine Vision von einem unter seiner Herrschaft vereinten Reich zu verwirklichen –, befand sich in seinen Händen.
Als Robert den Krummstab anstarrte, kam ihm die Frage wieder in den Sinn, die Murtough ihm in Donoughs Halle gestellt hatte.
Und was ist mit Euch, Sir Robert? Glaubt Ihr an Merlins Prophezeiung?
Er hatte zwei Jahre in Edwards Gefolge und eines in der Gesellschaft der Drachenritter verbracht, deren Aufgabe darin bestand, dem König zu den vier Reliquien zu verhelfen. Während viele seiner ehemaligen Freunde fest an Merlins Prophezeiung geglaubt hatten und entschlossen waren, den darin vorhergesagten Untergang Britanniens zu verhindern, hatte er selbst seine Zweifel nie überwinden können. Trotz der reichen Belohnungen, des Ruhmes und der Kameradschaft, die ihm die Zeit in den Diensten des Königs eingebracht hatte, hatte ihm stets die nicht zu leugnende Tatsache vor Augen gestanden, dass der Anspruch der Familie Bruce auf den Thron von Schottland null und nichtig wäre, wenn die vier Reliquien wirklich in den Besitz eines Mannes gelangen würden, der dann über ganz Britannien herrschen würde. Indem er Edward unterstützte, legte er sich selbst Steine in den Weg und brach das Versprechen, für das Recht seiner Familie zu kämpfen, das er seinem Großvater gegeben hatte. Am Ende hatte dieses Wissen zu sehr an ihm genagt und ihn dazu gebracht, sich von Edward loszusagen.
Eidbrüchiger, hatten sie ihn genannt. Verräter.
Doch trotz seiner Skepsis bezüglich Merlins Worten konnte er nicht leugnen, dass eine Passage der Letzten Prophezeiung König Alexanders Tod richtig vorhergesagt hatte.
Wenn der letzte König ohne Nachkommen stirbt,
wird das Königreich in Chaos gestürzt werden.
Und die Söhne des Brutus werden an diesem Tag
Den mit dem großen Namen betrauern.
Alexander war in einer stürmischen Nacht auf der Straße nach Kinghorn von den Klippen gestürzt. Man hatte ihn am nächsten Morgen mit gebrochenem Hals gefunden, sein Pferd hatte tot neben ihm gelegen. Seine Enkelin und Erbin, ein kleines Mädchen, das am Hof des Königs von Norwegen lebte, war nach Schottland gesegelt, um seinen Platz als Königin einzunehmen, aber während der Reise an verdorbenem Essen gestorben. Danach war die Krone auf Edwards Betreiben hin an John Balliol gegangen, der, wie sich herausstellte, kein König Schottlands war, sondern nur ein Hund an der Leine des englischen Königs. Balliols Rebellionsversuch war fehlgeschlagen, die Engländer waren über die Grenze marschiert und hatten den Aufstand innerhalb weniger Monate niedergeschlagen. Edward, der triumphierende Eroberer Schottlands, hatte das große Siegel des Königreichs zerbrochen und den eingeschüchterten, gedemütigten Balliol in den Tower von London werfen lassen. Eine Katastrophe war auf die andere gefolgt.
Doch jetzt, wo er die Macht hatte, Edwards ehrgeizige Pläne zu durchkreuzen, kamen Robert Bedenken. Stand er wirklich im Begriff, Unheil über Britannien heraufzubeschwören? Würde der von Merlin geweissagte Untergang des Reiches sie alle mit sich reißen?
Als er bemerkte, dass die Augen seiner Brüder und der Mönche auf ihm ruhten, wickelte Robert den Stab fest in das schimmelige Tuch. Er musste sein eigenes Schicksal erfüllen. Die Unterjochung Schottlands durch die englische Krone musste ein Ende haben, koste es, was es wolle. Wo John Balliol versagt hatte, würde er triumphieren. Balliol, der sich jetzt in päpstlichem Gewahrsam in Frankreich befand, mochte ja nach Ansicht vieler Schotten immer noch der rechtmäßige König sein, aber in den Augen der Familie Bruce war er nie mehr als eine Marionette gewesen. Roberts Vorfahr, der große Malcolm Canmore, hatte seinen Rivalen Macbeth gestürzt und den Thron selbst bestiegen. Jetzt würde er, wenn es Gottes Wille war, dasselbe tun. Sein Stolz und sein Blut verlangten es von ihm.
»War er noch da?«, fragte Cormac, als die Gruppe zurückkehrte. Und als Robert zur Antwort den Stab schwenkte, grinste sein Ziehbruder. »Ich würde mein Pferd und mein Schwert dafür geben, Ulsters Gesicht sehen zu
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