Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
Tortur in der Wildnis war eine Glaubensprobe gewesen, davon war sie fest überzeugt.
Elizabeth setzte sich auf und kämpfte gegen eine Welle der Benommenheit an. Sie würde an ihrem Plan festhalten und nach Schottland gehen. Dort würde sie in ein Kloster eintreten, und sobald sie den Schleier genommen hatte, würde sie ihrem Vater schreiben und ihm alles erklären. Dieser Entschluss verlieh ihr neue Kraft. Sie stand auf, griff nach der Decke und tastete sich im Dämmerlicht die Treppe hinunter. An diesem Morgen hatte sie von den Hügeln aus das Meer gesehen. Es war nicht weit weg. Sie konnte es bis zur Küste schaffen, wo sich wohl ein Fischer finden würde, der sie über den Kanal ruderte.
Elizabeth blieb auf der Schwelle stehen und hielt sich am Türrahmen fest. Draußen regnete es in Strömen. Der Gedanke an die endlose Wasserfläche jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie hatte die Männer ihres Vaters von dem Kanal sprechen hören – von den tosenden Strudeln, die ein Boot in die Tiefe ziehen konnten, von den riesigen Kreaturen, die dort lebten und von den berghohen Wellen. Ihr wurde übel, wenn sie nur daran dachte. Vielleicht konnte sie in Irland bleiben und hier in ein Kloster gehen? » Nein «, mahnte sie sich entschlossen, trat in den Regen hinaus und zuckte zusammen, als ihr die Tropfen wie Nadeln in die Haut stachen. Ihr Vater kontrollierte einen großen Teil dieses Landes. Wenn sie blieb, würde er sie finden.
Beim Überqueren der Straße fiel Elizabeth eine verdächtige Bewegung zwischen zwei Häusern vor ihr auf. Sie erstarrte, weil sie sofort dachte, es sei Robert. Als sie drei Gestalten durch den Regen herannahen sah, fuhr sie herum, floh zum Haus zurück und verschwand in der Dunkelheit, wo sie schwer atmend stocksteif stehen blieb. Hatten die Fremden sie gesehen? Sie schlich zur Tür und spähte vorsichtig hinaus. Die drei Männer standen jetzt auf der Straße. Einer schien direkt zu ihr herüberzuschauen. Elizabeth wich zurück, ließ die durchnässte Decke fallen, huschte zur Treppe und stieg rasch die Stufen hoch, wobei sie bei jedem Knarren erschrocken zusammenzuckte. Oben angelangt, tappte sie über die glitschigen Bodendielen und kauerte sich mit wild klopfendem Herzen hinter eine Pritsche.
Lieber Gott, mach, dass sie mich nicht gesehen haben!
Die Stimmen erklangen erneut. Sie lauschte angestrengt, aber die Männer sprachen zu leise, sie konnte sie nicht verstehen. Füße platschten durch eine Pfütze, dann herrschte einen Moment lang Stille. Als sie unter sich ein Knarren hörte, schnappte Elizabeth nach Luft, duckte sich und presste die Wange gegen den Boden. Unter der Pritsche klaffte ein breiter Riss im Holz, durch den man die Treppe sehen konnte. Weitere knarrende Geräusche folgten, kamen näher, und plötzlich erschien der Kopf eines Mannes in dem Loch. Elizabeth blieb vor Schreck fast das Herz stehen, als sie seinen dichten, zottigen cúlán sah. Es war ein junger, in eine wollene Tunika gekleideter Bursche, der einen tückisch glitzernden Dolch in der Hand hielt. Nachdem er die Treppe erklommen hatte, konnte sie nur noch seine Füße sehen. Seine zwei Gefährten folgten ihm. Alle drei blieben oben in dem spinnwebenverhangenen Dämmerlicht stehen.
Sie fing an zu zittern, als der erste Mann langsam um die Pritsche herumschritt. Seine Schuhe waren mit Lehm verschmiert. Sie versuchte, unter das Bett zu kriechen, stellte aber fest, dass dort zu wenig Platz war. Keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Als er hinter ihr auftauchte, krabbelte Elizabeth zur Wand und drückte sich dagegen. Bei ihrem Anblick ging der junge Mann mit noch immer gezücktem Dolch leicht in die Hocke. Seine Unterarme waren mit Narben übersät, seine bloße, regennasse Haut glänzte im Halbdunkel. Sein Gesichtsausdruck wechselte von vorsichtig zu neugierig, während er das Mädchen an der Wand anstarrte. Dann blickte er zu seinen Kameraden hinüber und stieß ein paar Worte hervor.
Elizabeth erkannte die Sprache als Gälisch, verstand aber kaum etwas. Obwohl sie in Irland geboren und aufgewachsen war, hatte sie die einheimische Mundart nie erlernt, nur Fetzen davon außerhalb der Festungen ihres Vaters und der Städte voller Engländer aufgeschnappt, in denen sie gelebt hatte. Vor vier Jahren hatte das Parlament in Dublin ein Gesetz verabschiedet, das es den in Irland ansässigen Engländern verbot, irische Kleidung zu tragen, das Haar zu einem cúlán zu frisieren oder die hiesige Sprache zu
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